In rund zwei Monaten wählt das Schweizer Stimmvolk ein neues Parlament. Dabei zeichnet sich ein Ansturm auf die Parlamentssitze ab – und ein Wahlkampf mit harten Bandagen. Dabei haben es Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht immer einfach, wie eine Umfrage des «Tages-Anzeigers» bei über 2000 Mandatsträgern in Gemeinden, Kantonen und beim Bund zeigt. Denn viele werden in ihrem Amt auch beschimpft und bedroht.
Demnach gaben 549 Personen an, dass sie im Rahmen ihrer Parlamentsarbeit mindestens einmal persönlich verletzend angegangen wurden. Über ein Viertel der Umfrage-Teilnehmenden wurde also von Bürgern oder anderen Parlamentariern beschimpft, beleidigt oder bedroht – via Mail, Brief, Telefon, soziale Medien oder gar direkt auf der Strasse oder im Ratssaal. Viele Frauen erleben dabei auch Sexismus in ihrer Arbeit.
Gewehrpatrone in der Post
Verschiedene Politikerinnen und Politiker erzählen der Zeitung, was sie alles einstecken mussten. Die Berner SP-Grossrätin Meret Schindler (37) beispielsweise berichtet, wie ihr in einem anonymen Brief explizit Gewalt angedroht und wie sie als «Saupack» und «verwöhntes Luder» beschimpft wurde.
Ein Zürcher SVP-Kantonsrat, der anonym bleiben will, erhielt sogar schon Todeswünsche – samt Gewehrpatrone im Couvert. Es hiess, man wolle ihn am Fleischerhaken ausbluten sehen.
Andere Politisierende bekommen Beleidigungen zu hören wie: «Man sollte dich durchvögeln. Dein Mann sollte besser ins Puff.» Oder: «Nicht mal die Wölfe würden dich fressen, weil du so stinkst.» Manchmal ist es purer Hass, mit dem Parlamentarier konfrontiert werden.
Nicht nur die «Tagi»-Umfrage bestätigt das Bild, dass Politiker hart im Nehmen sein müssen. Im Blick berichtete etwa SVP-Nationalrat Mike Egger (31, SG), wie er einmal beim Wochenendeinkauf in einem Laden von einem Mann gewaltsam angegriffen wurde. Und auch SP-Co-Chef Cédric Wermuth (37) wurde schon auf der Strasse am Kragen gepackt.
Frauen stärker betroffen
In der Tendenz bekommen Frauen öfter Beleidigungen zu hören als Männer. Wie der «Tages-Anzeiger» verdeutlicht, wollen viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit solchen Geschichten gar nicht an die Öffentlichkeit, um nicht als Opfer gebrandmarkt zu werden. Oder auch nicht, um potenzielle neue Kandidatinnen und Kandidaten abzuschrecken.
Der Umgang mit Bedrohungen ist ebenfalls unterschiedlich. Die einen melden sie der Polizei oder einer anderen zuständigen Stelle, andere verzichten auf eine Anzeige oder Meldung. (rus)