Hass gegen Zürcher Politiker
SVPler fand in seinem Briefkasten Tierkot

Morddrohungen, verschmierte Haustüren, Kot im Briefkasten: Eine «NZZ»-Umfrage zeigt, welche Anfeindungen Zürcher Politikerinnen und Politiker wegen ihres Amtes erleben.
Publiziert: 08.05.2023 um 14:13 Uhr
|
Aktualisiert: 08.05.2023 um 14:19 Uhr
1/5
Wegen ihres politischen Amts werden sie angefeindet: Die Mitglieder des Zürcher Kantonsrats.
Foto: keystone-sda.ch

Hass gehört für viele Politikerinnen und Politiker zum Alltag. Das ist das erschreckende Ergebnis einer Umfrage, die die «NZZ» bei Mitgliedern des Zürcher Kantons- und Gemeinderats durchgeführt hat. Rund 45 Prozent der Befragten hat wegen ihrer politischen Funktion schon mehrfach Anfeindungen im echten Leben erlebt. Noch etwas häufiger sind Hassnachrichten im Internet.

Grünen-Gemeinderat Markus Knauss (61) erzählt, dass er seit zwanzig Jahren Angriffe und Beleidigungen erlebe. «Der Hass kommt über alle Kanäle: Ich erhalte E-Mails, Briefe und Telefonanrufe.» Auch habe schon jemand «Knauss du Hueresohn» an eine Fassade gesprayt. «Auch unsere Haustüre ist regelmässig Ziel von Anschlägen», erzählt der Politiker.

Drohmails gegen die Tochter

Vor kurzem habe er gar eine Morddrohung erhalten. «Grüne müsse man dem Jagdgesetz unterstellen, schrieb der Absender.» Da habe er Anzeige erstattet. Ein SVP-Politiker, der nicht namentlich genannt wird, erzählt, er habe schon Drohmails gegen seine Tochter erhalten. Zudem habe jemand seinen Briefkasten mit Tierexkrementen gefüllt.

Kantonsrätin Michèle Dünki-Bättig (33) von der SP berichtet, an einem Podium sei einmal ein Mann mit Gewehr im Publikum gesessen. «Als ich den Saal verlassen wollte, rief er mir zu, dass ich aufpassen solle, denn er könne damit weit schiessen.»

Der Hass hat Folgen

Die Umfrage zeigt, dass Politikerinnen und Politiker am häufigsten wegen einer konkreten politischen Position oder ihrer politischen Ausrichtung angegriffen werden. Frauen werden zudem immer wieder aufgrund ihres Aussehens oder ihres Geschlechts Opfer von Hass.

Rund jede und jeder Vierte gibt in der «NZZ»-Umfrage an, dass diese Erlebnisse ihre politische Arbeit mindestens teilweise beeinflussen würden. Eine Politikerin sagt, dass sie wegen Anfeindungen ganz bewusst darauf verzichte, ihre Telefonnummer und Adresse auf der Webseite des Gemeinderats zu veröffentlichen.

Die ehemalige SP-Kantonsrätin Sarah Akanji (30) hat wegen rassistischen Angriffen nach vier Jahren gar die Reissleine gezogen und hat sich aus der Politik zurückgezogen. Sie forderte, dass die Politik Massnahmen ergreife, «damit Menschen, die politisch tätig sind, besser geschützt sind». Ihr früherer Kantonsratskollege Nicola Siegrist (26), Präsident der Juso Schweiz, sagt im Hinblick auf Akanjis Rücktritt: «Unsere einzige Antwort darauf kann sein: Das lassen wir nicht mehr zu.» (lha)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?