Wenn die Schweiz schon keine Waffenlieferungen zulässt
Mitte-Links will fast 5 Milliarden für Ukraine-Hilfe

Wenn die Schweiz schon keine Waffenlieferungen in die Ukraine zulässt, soll sie zumindest ihre humanitäre Hilfe aufstocken. Und zwar massiv! Das fordert ein Mitte-Links-Bündnis mit mehreren gleichlautenden Vorstössen.
Publiziert: 20.03.2023 um 10:00 Uhr
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Die Schweiz soll ihre humanitäre Hilfe massiv ausbauen. Sie solle auf rund 4,5 Milliarden Franken aufgestockt werden.
Foto: keystone-sda.ch
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Mitte-Links rührt im Bundesparlament mit der grossen Kelle an: Wenn die Schweiz anderen Staaten schon nicht die Weitergabe von Kriegsmaterial an die Ukraine erlauben will, dann soll sie wenigstens bei der humanitären Hilfe keine halben Sachen mehr machen.

Mit drei gleichlautenden Vorstössen fordern Mitte-Nationalrätin Marianne Binder (64), SP-Nationalrat Fabian Molina (32) und GLP-Fraktionschefin Tiana Moser (43) vom Bundesrat ausserordentliche Hilfsgelder. Es soll ein Betrag sein, der zu vergleichbaren Ländern in Bezug auf ihre Wirtschaftsleistung passt. Mitte-Links kommt so auf 4,8 Milliarden US-Dollar oder rund 4,46 Milliarden Franken.

Knausrige Schweiz

Die Schweiz würde damit in neue Sphären vorstossen. Im Jahr 2021 wendete der Bund rund 3,5 Milliarden Franken für die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe auf. Nach einem Jahr Ukraine-Krieg hatten Bundespräsident Alain Berset (50) und Aussenminister Ignazio Cassis (61) nochmals ein 140-Millionen-Hilfspaket für die Ukraine und Moldawien präsentiert.

Eine Rangliste des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (D) stellt die bisherige Hilfe der Schweiz mit gesamthaft 270 Millionen Franken als knausrig im internationalen Vergleich dar. Im Schnitt haben die 40 untersuchten Länder der Ukraine bisher Hilfen von 0,36 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) in Aussicht gestellt. Bei der Schweiz waren es bisher 0,03 Prozent. Damit gab sie weniger als jedes andere europäische Land aus – sie war auf Platz 33 von 40.

«Die Schweiz macht genug»

Ein Grund für das schlechte Abschneiden ist, dass die Schweiz keine Waffen liefert, die bei den meisten anderen Staaten zu Buche schlagen. Mit dem neusten Hilfspaket hat sie sich zwar etwas verbessert. Doch selbst wenn nur die nichtmilitärische Hilfe zählt, landet die Schweiz nur im Mittelfeld. Das neutrale Österreich, das ebenfalls keine Waffen liefert, engagiert sich im Vergleich finanziell viel stärker.

Davon aber will Aussenminister Cassis nichts wissen. Mit dem neuen Hilfspaket verbessere sich die Schweiz im Ranking. Zudem sei unklar, wie die Zahlen im Ranking genau zustande kämen. «Die Schweiz macht genug», verteidigte sich Cassis. Er habe keinen Grund, «rot zu werden», sagte er vor den Medien.

Das neutrale Österreich macht viel mehr

Den Parlamentariern von Mitte-Links aber reicht das Engagement der Schweiz bei weitem nicht. Die Schweiz soll sich beispielsweise an Österreich orientieren. Unsere Nachbarn führen die Rangliste an und leisten humanitäre Hilfe von 0,16 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts. Das sind etwa zwei Milliarden US-Dollar.

Die Schweiz wiederum erreichte im letzten Jahr ein BIP von rund 771 Milliarden Dollar, was den erwähnten 4,8 Milliarden Dollar Ukraine-Hilfe entsprechen würde. Eine stattliche Summe. Für Mitte-Links aber gerechtfertigt. Immerhin würden in der Ukraine jene demokratischen Werte verteidigt, für die auch die Schweiz stehe. Deshalb sei die Ukraine-Hilfe auch in unserem Eigeninteresse.

Fünf Milliarden in fünf Jahren

SP, Mitte und GLP sind nicht die ersten, die eine deutlich höhere Ukraine-Hilfe der Schweiz fordern. Anfangs Monat hatte Grünen-Ständerat Mathias Zopfi (39) mit einer Motion eine Aufstockung gefordert: In den nächsten fünf Jahren sollen fünf Milliarden Franken nach Kiew fliessen – eine Milliarde pro Jahr.

Das Geld soll zivilen Projekten zugutekommen, von der Friedensförderung bis zum Wiederaufbau der Infrastruktur. Die Milliarden sollen als ausserordentliche Ausgaben behandelt werden und nicht der Schuldenbremse unterstehen. Mit den neuen Vorstössen von Mitte-Links ist die Forderung nun aber deutlich breiter abgestützt.

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