Harzige Aussichten für die Gegner des Burka-Verbots: In der neuesten SRG-Abstimmungsumfrage geben 56 Prozent der Schweizer an, ein «Ja» in die Urne zu legen. Dagegen sind nur 40 Prozent. «Das sind zu wenig», finden die Gegner – und probieren einen knappen Monat vor der Abstimmung mit einem Nachbarschaftsbrief das Ruder herumzureissen.
Denn Kampagnentechnisch ist bis jetzt noch nicht viel geschehen. Wo es von den «Extremismus stoppen»-Plakaten nur so wimmelt, blieben die Gegner der Initiative bislang eher ruhig. Ex-Gsoa-Sekretär Lewin Lempert (24) störte das: «Es gibt fast nirgends Kampagnenmaterial zu bestellen.» So gründete er gemeinsam mit LGTBQ-Aktivistin Anna Rosenwasser (31), Islamwissenschaftsstudentin Judith Schmid und Digital-Media-Beraterin Fathima Ifthikar das Kollektiv «Nein zu Hass und Hetze».
«Wir wollten den Menschen konkret etwas zum Verteilen geben», erklärt Lempert den Nachbarschaftsbrief, den man auf ihrer Website herunterladen und ausdrucken kann. Dieser kläre über Missverständnisse auf, ergänzt Anna Rosenwasser – zum Beispiel darüber, dass muslimische Menschen gefährlich seien. «Das stimmt einfach nicht.» Ausserdem sei diese Art von Kampagne «Corona-safe», findet Rosenwasser.
Warum engagiert sich Keller-Sutter nicht?
Dass man im Kampf gegen die Burka-Initative nichts unversucht lässt, hängt wohl auch damit zusammen, dass sich die dafür zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter sichtlich halbherzig für die Vorlage engagiert. Weil wegen der Corona-Krise mehrere Abstimmungen verschoben werden mussten, ist sie gleich für zwei Vorlagen zuständig. Bereits im Dezember gab sie bekannt, dass sie sich dabei aber stärker für die E-ID-Vorlage einsetzen werde – man müsse schliesslich Prioritäten setzen.
Keller-Sutters Zurückhaltung gegenüber des Burka-Verbots fällt selbst den Initianten auf. So vermutete Vorlagenvater Walter Wobmann (63, SVP) in einem Artikel im «Tages-Anzeiger» gar, dass alles, Körpersprache sowie Mimik der Bundesrätin, darauf hindeute, dass die Gegnerin eigentlich eine Verbündete sei – zumindest im Verborgenen. Schliesslich sei sie im Kanton St. Gallen auch schon für ein Verhüllungsverbot gewesen.
Im Nein-Lager will man ihr aber trotzdem nicht die Schuld für die schlechten Umfrageergebnisse in die Schuhe schieben. «Man sollte nun nicht mit dem Finger auf die Parteien oder Karin Keller-Sutter zeigen, sondern sich eben selber zivilgesellschaftlich engagieren», findet Lempert.
Für Lempert ist klar: «Es geht nicht, dass sich zum zweiten Mal ein Satz in der Verfassung direkt gegen Musliminnen richtet.» Damit spricht er das Minarett-Verbot von 2009 an. Ob die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger diese Überzeugung teilen, wird sich am 7. März zeigen.