Wegen Haft von Berset-Mitarbeiter
Nun ermittelt ein Sonderermittler gegen den Sonderermittler

Die Affäre um mögliche Amtsgeheimnisverletzungen im Bundeshaus ist verworren – und wird nun noch verworrener. Ex-Berset-Sprecher Peter Lauener hat eine Anzeige gegen Sonderermittler Peter Marti eingereicht. Nun wird gegen den Sonderermittler selbst ermittelt.
Publiziert: 23.10.2022 um 14:38 Uhr
|
Aktualisiert: 23.10.2022 um 14:39 Uhr
1/6
Gegen Peter Lauener (l.), den Ex-Sprecher von Alain Berset (r.), ermittelt Staatsanwalt Peter Marti.
Foto: Keystone

Nun könnte es auch für den Sonderermittler selber unangenehm werden. Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) setzt gegen den von ihr eingesetzten ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes, Peter Marti (70), jetzt ebenfalls einen ausserordentlichen Staatsanwalt ein. Ein Sonderermittler, der gegen den Sonderermittler ermitteln muss! Das bestätigt die AB-BA gegenüber Blick.

Auslöser ist eine Strafanzeige von Alain Bersets (50) früherem Kommunikationschef Peter Lauener (52). Der Ex-Mitarbeiter im Innendepartement (EDI) von Bundesrat Berset war im Frühling mit Antrag auf Untersuchungshaft für kurze Zeit vorläufig festgenommen worden. Der Antrag soll vor Gericht allerdings abgewiesen worden sein. Gemäss Rechtsexperten ist das eher ungewöhnlich und könnte darauf hindeuten, dass die gegen Lauener erhobenen Vorwürfe zu wenig stichhaltig waren. Lauener wehrte sich darauf mit einer Anzeige gegen Marti.

AB-BA ist zum Handeln gezwungen

Der pensionierte Zürcher Oberrichter Marti hatte eigentlich den Auftrag, das Leck zu finden, durch das vertrauliche Informationen zur Crypto-Affäre an die Öffentlichkeit gelangt sind. Doch inzwischen ermittelt er noch in anderen Fällen wegen Amtsgeheimnisverletzung, wie etwa die «SonntagsZeitung» berichtet hatte. Demnach könnte es dabei um Corona-Entscheide des Bundesrats gehen. Während der Pandemie seien hierzu immer wieder vertrauliche Informationen an die Medien durchgesickert.

Das ist die Crypto-Affäre

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-Auslandsgeheimdienst (CIA) kauften in den 1970er-Jahren verdeckt die Zuger Firma Crypto AG. Diese verkaufte Chiffriergeräte zur Verschlüsselung geheimer Kommunikation in alle Welt. Recherchen der TV-Sender SRF und ZDF sowie der Zeitung «Washington Post» ergaben, dass die Crypto-Geräte so manipuliert waren, dass die Geheimdienste die Kommunikation trotz Verschlüsselung mitlesen konnten. Über hundert Staaten sollen von der Abhöraktion betroffen gewesen sein, kam 2020 heraus. Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments hatte in der Folge eine Untersuchung eingeleitet. Sie kam zum Schluss, dass die Bundesräte von der Abhöraktion nichts wussten. Erst 2019 war Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) vom Nachrichtendienst informiert worden.

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-Auslandsgeheimdienst (CIA) kauften in den 1970er-Jahren verdeckt die Zuger Firma Crypto AG. Diese verkaufte Chiffriergeräte zur Verschlüsselung geheimer Kommunikation in alle Welt. Recherchen der TV-Sender SRF und ZDF sowie der Zeitung «Washington Post» ergaben, dass die Crypto-Geräte so manipuliert waren, dass die Geheimdienste die Kommunikation trotz Verschlüsselung mitlesen konnten. Über hundert Staaten sollen von der Abhöraktion betroffen gewesen sein, kam 2020 heraus. Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments hatte in der Folge eine Untersuchung eingeleitet. Sie kam zum Schluss, dass die Bundesräte von der Abhöraktion nichts wussten. Erst 2019 war Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) vom Nachrichtendienst informiert worden.

Seither lehrt Marti Politiker und Bundesbeamte das Fürchten. Doch nun droht ihm selber Ungemach. Artikel 67 des Strafbehördenorganisationsgesetzes schreibe zwingend vor, dass die AB-BA bei Strafanzeigen gegen Staatsanwälte des Bundes einen unabhängigen ausserordentlichen Staatsanwalt ernenne, erklärt die Aufsicht gegenüber Blick. «Die AB-BA verfügt diesbezüglich über keinen Ermessensspielraum.» Sie muss also erneut einen Sonderermittler einsetzen.

Sonderermittler zum Warten verdammt

Eine unabhängige Person habe zu entscheiden, ob die Anzeige gerechtfertigt sei oder nicht, betont die AB-BA. Es steht unter anderem der Verdacht des Amtsmissbrauchs durch Marti im Raum. Sollte die Festnahme Laueners unrechtmässig gewesen sein, käme sogar der Tatbestand der Freiheitsberaubung infrage. Für Marti gilt wie für alle anderen Beteiligten die Unschuldsvermutung.

Auf die laufenden Ermittlungen von Sonderermittler Marti habe die Strafanzeige keinen Einfluss, betont die Aufsichtsbehörde weiter. Dem ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes sind derzeit aber aus einem anderen Grund die Hände gebunden. Er muss einen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts Bern abwarten. Dieses hat darüber zu befinden, ob Daten wie E-Mails, Briefe oder SMS, die entweder nichts mit dem Strafverfahren zu tun haben oder speziell geschützt sind, zu Untersuchungszwecken entsiegelt werden können.

Gegenüber Blick wollte sich Sonderermittler Peter Marti weder zur Anzeige gegen ihn noch zu seinen Ermittlungen äussern. (dba)

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?