Ein pensionierter Richter lehrt die Bundesbeamten das Fürchten. Peter Marti (70) hatte eigentlich den Auftrag, das Leck zu finden, durch das vertrauliche Informationen zur Crypto-Affäre an die Öffentlichkeit gesickert sind. Doch inzwischen ermittelt er noch in anderen Fällen wegen Amtsgeheimnisverletzung, wie die Sonntagsmedien bekannt machten. Es könnte dabei beispielsweise um die Corona-Entscheide oder die EU-Politik des Bundesrats gehen.
Marti hat Strafverfahren gegen zwei enge Vertraute von Bundesräten eingeleitet. So sass Peter Lauener (52), der ehemalige Medienchef von Alain Berset (50), mehrere Tage in Untersuchungshaft, wie der SonntagsBlick publik machte. Und erst kürzlich machten die Tamedia-Zeitungen bekannt, dass auch Markus Seiler (53), ehemaliger Geheimdienstchef und heute Generalsekretär von Ignazio Cassis' Aussendepartement (EDA), wegen möglicher Amtsgeheimnisverletzung in Martis Visier sei. Ebenso wie ein weiterer Mitarbeiter des EDA. Für sie alle gilt die Unschuldsvermutung.
Darf Marti das überhaupt?
Doch nun werden Zweifel laut, ob Sonderermittler Marti in diesen Fällen überhaupt ermitteln darf. Gegenüber den Zeitungen von Tamedia äussern drei Strafrechtsexperten ihre Skepsis.
Denn einen Sonderermittler darf die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) nur dann einsetzen, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass jemand aus der Bundesanwaltschaft (BA) ein Delikt begangen haben könnte – und die BA darum gegen sich selbst ermitteln müsste. Diese Voraussetzung ist im Fall der Ermittlungen gegen Lauener und Seiler aus Sicht der Juristen nicht gegeben. «Es reicht nicht, dass eine blosse Möglichkeit für eine solche Täterschaft besteht», stellt der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli klar. Ausnahmen gebe es keine.
Die AB-BA ist anderer Meinung. Dass sie Marti anscheinend auch andere Amtsgeheimnisverletzungen untersuchen lässt, begründet sie mit dem «Grundsatz der Verfahrenseinheit». Dabei geht es darum zu verhindern, dass verschiedene Verfahren gegen dieselben Personen geführt und widersprüchliche Entscheide getroffen werden. Die von Tamedia angefragten Experten halten das für kein überzeugendes Argument.
Betroffene schweigen
Damit droht erneut, dass Bundesermittler Strafverfahren in den Sand setzen. Erst vor wenigen Monaten musste das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bei den Ermittlungen zum Postauto-Subventionsskandal zurück auf Feld 1. Das Bundesgericht hatte als letzte Instanz geurteilt, dass die Einsetzung externer Ermittler durch das Fedpol nicht rechtens war.
Die aktuell von den Untersuchungen betroffenen Bundesbeamten hätten die Möglichkeit, gerichtlich gegen die Verfahrenseröffnungen von Sonderermittler Marti vorzugehen. Glaubt man den im Artikel zitierten Juristen, stehen ihre Chancen nicht schlecht. Ob sie dies tun werden, ist unklar. Der Anwalt Laueners hat auf eine Anfrage von Blick nicht reagiert. Und das Aussendepartement gibt auf Anfrage von Blick keinen Kommentar zum laufenden Verfahren ab.