Die anhaltende Blockade des bilateralen Wegs nach dem Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU könnte in der Schweizer Wirtschaft schon bald weitere Opfer fordern. Nach der Medizinprodukte-Branche und der In-Vitro-Diagnostik droht es nun die Maschinenindustrie zu treffen. Der erleichterte Zugang zum EU-Binnenmarkt könnte schon bald gestrichen werden.
Noch profitiert die Schweizer Branche von einer Galgenfrist. Denn bis jetzt hat die neue EU-Maschinenverordnung nicht alle Hürden genommen: EU-Parlament und EU-Staaten streiten sich über Details wie etwa die Länge von Übergangsfristen. Trotz allem dürfte die neue EU-Regelung im ersten Halbjahr 2023 in Kraft treten.
Mit der neuen Verordnung müsste auch das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU aktualisiert werden. Aktuell gibt es jedoch keinerlei Anzeichen, dass Brüssel dieser Aktualisierung zustimmen wird. Das dürfte für Schweizer Produzenten Folgen haben.
Folge wäre ein «erheblicher Mehraufwand»
Denn wie schon die aktuell noch gültige EU-Regelung sieht auch die neue Verordnung zwei Kategorien von Maschinen vor. Zur ersten Kategorie gehört die grosse Mehrheit der Maschinen – etwa Kaffeemaschinen, Mixer und Verpackungsmaschinen.
Hier dürfen schon heute die Hersteller selber zertifizieren. Das soll auch unter der neuen Verordnung bleiben. Das sind gute Nachrichten für Schweizer Produzenten.
Doch Swissmem rechnet damit, dass Schweizer Exporteure neu einen sogenannten Wirtschaftsakteur in der EU brauchen. Diese Person muss dann auf dem Produkt angegeben werden, was bei Massenprodukten «zu einem erheblichen Mehraufwand» führe.
Swissmem hält den Ball flach
Zur zweiten Kategorie gehören Produkte mit besonderem Gefahrenpotential bei nicht fachgerechter Anwendung. Dazu zählen unter anderem Handkettensägen, Fräsen und Plastik-Spritz-Guss-Maschinen. Mit wenigen Ausnahmen müssen diese zwingend von einer Drittstelle zertifiziert werden.
Während die EU heute Zertifizierungen durch Schweizer Stellen anerkennt, wird das ohne Aktualisierung des Abkommens nicht mehr der Fall sein. Dann muss laut Swissmem die Zertifizierung zwingend durch eine Stelle in der EU erfolgen. «Ansonsten wird das Zertifikat von den Behörden nicht anerkannt», was wiederum mehr bürokratischen Aufwand und Kosten für Schweizer Hersteller bedeutet.
Natürlich würden Prozesse aufwändiger und damit teurer, bestätigt Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher (55). Dennoch zeigt er sich optimistisch, dass die Schweizer Maschinenindustrie deswegen nicht mit gröberen Problemen konfrontiert sein wird. So würde etwa nur ein kleiner Teil der Branche von einer Drittstelle zertifiziert werden müssen. Zudem lasse die Übergangsfrist zur Vorbereitungszeit genügend Zeit.
Also alles halb so wild? Die Antwort tönt nach einem Jein: «Die Industrie braucht Stabilität im Verhältnis zur EU. Deshalb wünschen wir vom Bundesrat fürs 2023, dass er mit der EU bald eine Lösung findet», sagt Brupbacher.
Cassis gibt sich weiterhin optimistisch
Und hier besteht auch Hoffnung. Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU hat sich in letzter Zeit wieder verbessert. Die Katerstimmung sei verflogen, die Dynamik mit der EU sei positiv, bestätigte auch FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (61) kürzlich in einem Interview mit der «NZZ». Diese positive Dynamik gelte es nun zu nutzen.
«Wenn der Bundesrat eine tragfähige Basis für eine Einigung erkennt, kann ich mir gut vorstellen, dass er auch im Wahljahr bereit ist, Verhandlungen aufzunehmen», gibt sich Aussenminister Cassis weiterhin optimistisch. (SDA/dba)