Die nächste Abstimmung wirft ihre Schatten voraus. Am 3. März 2024 kommt es zum AHV-Showdown an der Urne. Abgestimmt wird an diesem Tag über die Volksinitiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente. Und über die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen, die ohne Gegenvorschlag vors Volk kommt.
Die Jungpartei der FDP verlangt eine Erhöhung des Rentenalters für beide Geschlechter. Bis 2032 würde das Rentenalter schrittweise von 65 auf 66 Jahre steigen und anschliessend an die Lebenserwartung gekoppelt: Pro Monat zusätzliches Lebenserwartungsjahr soll es um 0,8 Monate steigen; rauf auf 67, 68 oder mehr Jahre. Automatisch.
Schweizer wollen nicht länger arbeiten
Umfragen zeigen, dass Herr und Frau Schweizer wenig Lust haben, länger zu arbeiten. Das Volksbegehren der Jungfreisinnigen dürfte es darum schwer haben an der Urne. Matthias Müller (31), Präsident der Jungfreisinnigen, will sich davon allerdings nicht unterkriegen lassen.
«Wir geben Vollgas bis zum Schluss. Die Zahlen sind auf unserer Seite. Und sie zeigen, dass wir sehenden Auges in eine demografische Sturmflut mit gigantischen Kostenfolgen laufen», sagt er. Vor allem aber schiesst er scharf gegen die Mitte, die die Renten-Initiative nicht unterstützt.
Die Mitte scheine ihr ursprüngliches Konzept und ein zentrales Anliegen, nämlich die nachhaltige Finanzierung der AHV, komplett über Bord geworfen zu haben, kritisiert Müller. «Es ist schon fragwürdig, wenn eine Partei einst eingesehen hat, worum es geht, und jetzt vor notwendigen Reformen einknickt und den Kopf in den Sand steckt.»
«Mitte tanzt nach links»
Müller spielt damit auf einen Vorstoss des Zuger Mitte-Ständerats Peter Hegglin (63) an. Dieser hatte bereits 2016 vom Bundesrat die Einführung eines AHV-Referenzalters mit Anbindung an die durchschnittliche Lebenserwartung gefordert. In den Grundzügen also genau das, was heute die Jungfreisinnigen mit ihrer Renten-Initiative verlangen.
Für Müller ist klar: Es gehe der Mitte um eine Pseudo-Distanzierung zur FDP, dem bürgerlichen Partner bei so vielen wichtigen Geschäften. Anstatt die grossen Probleme dieses Landes gemeinsam anzugehen, stelle sie Parteipolitik über die lösungsorientierte Sachpolitik. «Das zeigt einmal mehr: Die Mitte ist komplett orientierungslos. Sie tanzt – je länger, je mehr – nach links.»
Andri Silberschmidt (29), der im Parlament für einen Gegenvorschlag zur Renten-Initiative gekämpft hat, sagt: «Dass das Mitte-Parteikader die Initiative nicht unterstützt, hatte im Wahljahr wohl wahltaktische Gründe. Das mag auch die Ablehnung einer Ausarbeitung eines Gegenvorschlags begründen.»
Der Zürcher FDP-Nationalrat glaubt allerdings nicht, dass die Basis der Mitte gleich denkt – und hofft, sie werde dem Anliegen zustimmen. Denn: «Die demografischen Voraussetzungen haben sich verändert. Wir sehen das auch auf dem Arbeitsmarkt», so Silberschmidt. Die Renten-Initiative sei darum auch eine Chance, dem enormen Fachkräftemangel zu begegnen. Schliesslich stünden die Leute den Unternehmen so länger zur Verfügung und sie müssten somit weniger rasch durch andere Fachkräfte ersetzt werden.
«Gute Idee, falsches Instrument»
Mitte-Ständerat Peter Hegglin kann der Kritik wenig abgewinnen. Er hat seine Meinung bis heute nicht geändert. Hegglin hält die Stossrichtung der Initiative nach wie vor für angebracht. «Die Idee ist gut, aber das Instrument ist das falsche», sagt er. Denn mit der Initiative solle ein Mechanismus in die Verfassung geschrieben werden, der bereits überholt sei. «Die Angleichung des Frauenrentenalters auf 65 Jahren wurde bereits beschlossen», begründet Hegglin. Die Initiative streiche die Angleichung der beiden Rentenalter aber noch heraus.
Die zweite Vorlage, die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente, kommt derzeit beim Stimmvolk gut an. Besonders hoch ist die Zustimmung bei Rentnern, Frauen und Romands, wie eine Sotomo-Umfrage zeigt.