Verzicht zu Gunsten von SP-Frau Kruit
Berner Stadtpräsident gibt auf und macht Weg für Frau frei

Die Stadt Bern bekommt ihre erste Stadtpräsidentin. Alec von Graffenried zieht sich aus dem Rennen um das Stadtpräsidium zurück. Der grüne Bisherige tritt nicht mehr an, Mitglied der Regierung bleibt er aber.
Publiziert: 26.11.2024 um 14:06 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2024 um 15:14 Uhr
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Marieke Kruit, SP, links, und Alec von Graffenried, GFL, freuen sich über ihre Wiederwahl in den Gemeinderat. Stadtpräsidentin wird wohl aber Kruit.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Alec von Graffenried zieht sich vom Stapi-Wahlkampf zurück
  • Bern erhält wohl erstmals eine Frau als Stadtpräsidentin
  • Es ist ein historischer Moment
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Mit ihm hatte die Berner SP noch eine Rechnung offen: der grüne Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (62).

Vor acht Jahren schnappte er der SP den Stapi-Sitz vor der Nase weg. Nun folgte am Sonntag die Retourkutsche. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt Bern verpassten ihm eine saftige Wahlklatsche.

Die SP-Kandidatin Marieke Kruit (56) holte am Wochenende 46.5 Prozent der Stimmen, sie verpasst das absolute Mehr ganz knapp. Von Graffenried konnte lediglich 26.4 Prozent der Stimmen fürs Stadtpräsidium auf sich vereinen.

Jetzt kam am Dienstag die Kehrtwende. Der Grüne zieht sich freiwillig vom Stapi-Wahlkampf zurück, er kommt damit seiner Abwahl als Stadtpräsident zuvor. «Das Ergebnis ist eine Enttäuschung für mich», teilt von Graffenried am Dienstag unumwunden mit. 

«Das Resultat ist klar, es drückt auch den Willen einer Mehrheit der Stimmberechtigten nach einer Stadtpräsidentin aus.» Unter diesen Umständen habe er sich entschieden, darauf zu verzichten, in einen zweiten Wahlgang zu steigen. 

Erstmals eine Stadtpräsidentin für Bern

Damit geschieht in Bern historisches: Die Bundesstadt erhält erstmals eine Frau an der Spitze. Neben Kruit bewarb sich auch noch die GLP-Nationalrätin Melanie Mettler (43) um den Posten. Ihre Partei sagte aber in ihrem Namen am Dienstag ab und gratulierte Kruit. 

Ebenfalls einmalig ist, dass ein Berner Stadtpräsident nicht mehr in dieser Funktion wiedergewählt wird, aber als gewöhnliches Mitglied der Regierung weitermacht. Denn in die Regierung schafft es der Grüne knapp.

Ähnliches ereignete sich 1990 in Zürich: Der FDP-Mann Thomas Wagner (81) verpasste damals die Wiederwahl an die Spitze der Stadtregierung. Das Präsidium ging an die SP, Wagner kehrte als Stadtrat zurück ins Schulamt.

«Ich fühle mich hintergangen»

In den Wahlkampf gezogen war von Graffenried noch mit dem Slogan «wytermache». Hätte die SP von Graffenried nicht herausgefordert, so würde der Patrizier-Spross wohl auch die nächsten vier Jahre im Erlacherhof, dem Sitz des Stapis, ein- und ausgehen.

Doch seine grüne Splitterpartei Grüne Freie Liste ist in Bern eine Kleinstpartei. Seit 2016 hat die Partei stetig verloren, am Sonntag lag ihr Wahlanteil noch bei 7,6 Prozent. Von Graffenried profitierte in Vergangenheit immer auch von bürgerlichen Panaschierstimmen. Auf diese konnte er dieses Jahr nicht mehr zählen.

Sportlich nahm der alt Nationalrat den Angriff der SP auf seinen Sitz nicht: «Ich fühle mich von der SP hintergangen», sagte er vor der Wahl gegenüber «Berner Zeitung». Es ist auch nicht so, dass von Graffenried grosse Fehler machte in seiner vergangenen Amtszeit.

Eher wird ihm vorgehalten, dass von Graffenried blass in Erscheinung tritt. Allerdings war sein Vorgänger Alexander Tschäppät (1952–2018) in dieser Hinsicht ein anderes Kaliber: Er gab der Stadt ein Gesicht und war über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Von Graffenried fehlte diese Ausstrahlung.

Nun kommt es zum Gerangel

Hinter den Kulissen dürfte nun darum gerungen werden, welche Direktion von Graffenried erhält. 

Gleich drei neue Mitglieder sind am Sonntag in die Regierung gezogen. Gerade die vom zurückgetretenen Mitte-Politiker Reto Nause (53) vererbte Sicherheitsdirektion gilt offenbar als unbeliebt.


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