Vor allem Rentnerinnen und Rentner sind anfang Woche in Scharen in den Zürcher Hauptbahnhof geströmt. Sie wollten sich bei der nationalen Impfwoche die dritte Covid-Impfung abholen.
Statt impfmüder Jugendlicher und skeptischer Mitvierziger belagerten Senioren das Impfdorf. Weil die Schlangen fürs Boostern zu lang und die Wartezeiten nicht mehr zumutbar waren, stoppte die Gesundheitsdirektion die Drittimpfungen. Die über 65-Jährigen sollen aber ab kommender Woche schweizweit den dritten Stich erhalten. Die Nachfrage ist riesig: In vielen Kantonen sind die Terminlisten längst voll.
Impfschutz lässt nach
Angesichts horrend steigender Ansteckungszahlen treiben andere Länder die Auffrischungsimpfung längst voran und stechen alle im impffähigen Alter ein drittes Mal. Denn nicht nur bei den älteren Leuten lässt der Impfschutz mit der Zeit nach. Erste Studien hegen auch Zweifel daran, dass der Impfschutz bei den Jüngeren ein Jahr lang anhält.
Auch in der Schweiz schiessen die Fallzahlen nach oben. Kein Wunder wollen sich auch jüngere doppelt Geimpfte den dritten Schuss geben lassen. Nur: Es dauerte bereits lange, bis die Schweiz nur schon den Rentnern die Booster-Impfung gewährte. Jetzt sollen sich auch die anderen noch gedulden. Oder warten, bis die Spitäler wie im letzten Jahr wieder überfüllt sind, monieren Kritiker.
SP-Stöckli und SVP-Rösti für einmal einig
So weit soll es aber nicht mehr kommen. Gesundheitspolitiker von links bis rechts fordern vom Bund, die Booster-Impfung rasch der gesamten Bevölkerung zugänglich zu machen. Allen voran der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli (69): «Ich bin ja nicht Mediziner. Aber mein Blick nach Deutschland und Österreich sagt mir, dass wir so schnell wie nötig vorgehen sollten.» Schaden tue eine dritte Impfung für alle sicher nicht.
Und auch der frühere SVP-Präsident Albert Rösti (54) meint, der Bund solle vorwärts machen: «Ich finde schon, es sollten sich alle boostern lassen können, die das wollen. Aber es soll weiterhin freiwillig sein.»
Auch aus der Mitte werden Stimmen für die Booster-Impfung der Jüngeren laut, etwa von Mitte-Nationalrat Lorenz Hess (60). Zwar sagt er: «Wir sollten Schritt für Schritt vorangehen. Als ersten Schritt sollten wir die Impfwoche hoffentlich möglichst erfolgreich zu Ende bringen und schauen, was sie tatsächlich gebracht hat.» Aber die nationale Impfwoche ist ja am Sonntag abgeschlossen. Und darum betont auch er: «Als nächsten Schritt erwarte ich, dass die Schweiz die Booster-Impfung für alle freigibt, die diese wollen.» Eine nach dem Alter gestaffelte Öffnung der Auffrischungsimpfung wäre aus seiner Sicht nur unnötig kompliziert.
«Die Alterspyramide runterboostern»
Gestaffelt möchte der Urner Ständerat Josef Dittli (64) vorgehen: «Die Schweiz ist zwar etwas spät dran mit dem Boostern aller über 65-Jährigen. Aber ein gestaffeltes Vorgehen macht aus logistischen und organisatorischen Gründen durchaus Sinn.» Vorwärts machen, aber jetzt nicht in Panik und Überaktivismus verfallen, rät er. Man solle «zügig, aber gestaffelt vorgehen». Heisst: «Jetzt mit den Senioren und den gesundheitlich Vorbelasteten anfangen und dann die Alterspyramide runterboostern.»
Skeptischer ist derzeit noch SP-Nationalrätin Yvonne Feri (55): «Es braucht jetzt eindeutige Studien, die zeigen, ob die Schutzwirkung doch ein Jahr anhält oder nicht. Falls ja, sollte man nach zehn oder elf Monaten anfangen zu boostern.» Aber auch für sie ist es «richtig, wenn jetzt die älteren Leute, die zuerst geimpft wurden, drankommen, und dann nach und nach die Jüngeren.»