Virologin Eckerle erklärt, was die Variante so tückisch macht
«Omikron hat immer neue Tricks auf Lager»

Trotz hoher Immunität in der Bevölkerung sind wir mitten in einer Corona-Welle. Schon wieder: Es ist keine Seltenheit, dass sich Menschen mehrfach mit dem Virus anstecken. Dafür gibt es auch einen Grund, wie die Virologin Isabella Eckerle erklärt.
Publiziert: 07.07.2022 um 19:35 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2022 um 19:44 Uhr
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Das Coronavirus macht immer noch Sorgen.
Foto: IMAGO/Bihlmayerfotografie
Gianna Blum

Alle redeten immer vom Herbst. Doch wie so oft macht Corona allen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Die Sommerwelle ist mit voller Wucht da. Der Anstieg bei den Hospitalisationen hält sich glücklicherweise in Grenzen. Doch die Welle macht klar: die hohe Immunität in der Bevölkerung, die es dank Impfung und früheren Erkrankungen gibt, hat Corona kein Ende gesetzt.

Ein Grund dafür ist Omikron. Just vor wenigen Tagen hat ein Team des Genfer Universitätspitals HUG um die Virologin Isabella Eckerle eine neue Studie veröffentlicht, die zeigt: Bei Omikron ist eben alles anders. Blick fasst das Wichtigste zusammen.

Was gesichert ist

Es gibt keinen absoluten Schutz davor, sich auch nach einer Impfung oder Infektion erneut mit Corona anzustecken. «Wir müssen uns bei den Coronaviren von der Vorstellung verabschieden, dass man sich wie zum Beispiel bei den Masern einmal im Leben ansteckt, und dann für den Rest des Lebens geschützt ist», betont Isabella Eckerle. Grundsätzlich sind Reinfektionen immer möglich, wann und wie häufig sie auch eintreffen, hängt einerseits vom gerade zirkulierenden Virustyp ab, andererseits vom Immunsystem der betroffenen Person.

Klar sei auch, dass die neuste Corona-Variante Omikron nicht die erhoffte Lösung der Pandemie ist, bei der eine milde Variante für wenig Krankheitslast und dauerhaften, breiten Immunschutz sorgt.

Was die Daten vermuten lassen

Grundsätzlich sei der Schutz immer am besten gegen den Virustyp, gegen den man sich bereits einmal angesteckt hat, so Eckerle. Wer sich also bei der Delta-Welle angesteckt hatte, ist auch am besten gegen die Delta-Variante geschützt. Der Schutz gegen andere Varianten ist etwas niedriger, aber immer noch gegeben.

Die grosse Ausnahme ist da aber Omikron, wie nun das Team um Eckerle herausgefunden hat. «Omikron hat immer neue Tricks auf Lager», so die Virologin. Untersucht haben die Forschenden, wie gut Ansteckungen mit früheren Varianten gegen den Omikron-Subtyp BA.1 schützen. Und die Daten zeigen, dass die sogenannte Immunflucht hoch ist. Das heisst: Omikron schafft es, die Antikörper aus früheren Infektionen zu umgehen. Und das gilt für Antikörper aus allen bisherigen Varianten, deren Namen im griechischen Alphabet vor Omikron kommen.

Allerdings war die Studie auf Blutproben von nur 120 Personen beschränkt. Besonders wenige gab es, was die selteneren Corona-Varianten wie zum Beispiel Gamma betrifft, die erstmals in Brasilien aufgetreten war. Dazu kommt: Der Omikron-Subtyp, der für die aktuelle Sommerwelle verantwortlich ist – wir sind schon bei BA.5 – war noch nicht Gegenstand der Studie. Allerdings ist bereits klar, dass auch BA.5 Tricks hat, um mittels Mutationen die Antikörper aus früheren Infektionen zu umgehen.

Besser als eine frühere Infektion ist der Schutz mittels Impfung, am allerbesten ist der Schutz bei Impfung plus Infektion – obwohl Omikron auch hier Immunflucht-Vorteile hat. Der erhöhte Schutz liegt laut Eckerle einerseits daran, dass der Körper nach einer Impfung mehr Antikörper produziert als eine Infektion – etwa zehnmal so viele. Dazu kommt: «Wer geimpft ist, hatte im Normalfall zwei Dosen plus einen Booster. Das Immunsystem ist also mindestens dreimal mit dem Oberflächenprotein des Virus in Kontakt gekommen.» Entsprechend gewappnet ist dann das Immunsystem.

Was das für die Zukunft heisst

«Wir sind nach wie vor in einer instabilen Situation», betont Eckerle. Abgesehen davon, dass man sich wiederholt neu infizieren kann, besteht bei einer Infektion neben der kurzfristigen Erkrankung auch das Risiko, sich Langzeitfolgen – Long Covid – einzufangen. Zudem gebe es beim aktuell dominanten Omikron Subtyp BA.5 erste Hinweise, dass schwerere Verläufe wieder etwas häufiger werden könnten.

Einigermassen entspannen könne man sich wohl erst dann, wenn das Virus über längere Zeit keine neuen Mutationen hervorbringe. Noch sei das nicht der Fall – denn das Virus könnte noch einige neue Tricks in der Hinterhand haben. «Der Herbst macht mir schon Sorgen», sagt Eckerle. Neben Covid rechnen Experten auch wieder mit vielen Grippe-Fällen, dazu komme die Erschöpfung des Gesundheitspersonals.

Nach einer Maskenpflicht ruft sie nicht, betont aber: «Man sollte den Menschen empfehlen, sich zu schützen.» Wichtig würden auch bald die auf Omikron angepassten Impfstoffe.

Was das für den Booster heisst

Die Studie selbst sagt dazu gar nichts aus, da die Wirkung einer zweiten Auffrischimpfung nicht untersucht worden ist. Ob der Booster auch für Jüngere nötig ist, lasse sich daraus nicht schliessen, wie Eckerle betont. Bekannt aus anderen Studien sei, dass eine Auffrischimpfung für über 60-Jährige zu empfehlen sei.

Dass der zweite Booster hierzulande erst ab 80 Jahren empfohlen wird, will sie nicht kommentieren: «Es ist Jüngeren ja nicht verboten, sich erneut impfen zu lassen». Was aber die breite Bevölkerung unter 60 betrifft, dazu sei Datenlage im Moment noch nicht eindeutig.

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