Verschrottung gestoppt – wegen Interesse der Briten
Verwirrung um alte Schweizer Abwehrraketen

Grossbritannien erkundigte sich nach ausrangierten Flugabwehrsystemen der Armee. Daraufhin stoppte das VBS deren Entsorgung – ein Ringtausch schien möglich. Doch dann kam alles anders.
Publiziert: 28.05.2023 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2023 um 14:06 Uhr
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60 solcher Flugabwehrsysteme des Typs Rapier hat die Schweiz in den Achtzigern von den Briten gekauft. Nun sollten sie entsorgt werden.
Foto: Keystone
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Aufregung im VBS: Das Departement von Viola Amherd (60) war schon dabei, ausgemusterte Flugabwehrsysteme der Schweizer Armee zu verschrotten, als sich die Briten meldeten. Sie erkundigten sich über den Zustand der Systeme und plötzlich stand die Frage im Raum: Will London die Defensivwaffen kaufen?

Genau genommen hätte es sich um einen Rückkauf gehandelt: Die Schweiz hatte die Systeme vom Typ Rapier in den Achtzigerjahren von Grossbritannien erworben. Weil die Raketen mittlerweile veraltet sind, musterte der Bund sie Ende 2022 aus und begann mit der Verschrottung.

Eine erste Tranche der insgesamt 60 Rapier-Systeme war bereits zerlegt, weitere sollten folgen. Nach der britischen Anfrage jedoch verfügte das VBS einen Marschhalt. Die Entsorgung wurde gestoppt.

Noch am Freitag, kurz nach 13 Uhr, bestätigte Kaj-Gunnar Sievert, Sprecher des Bundesamts für Rüstung (Armasuisse), gegenüber SonntagsBlick: «Grossbritannien hat in dieser Sache informell Kontakt mit dem VBS aufgenommen und sich nach den Systemen erkundigt.» Abklärungen seien im Gange.

Parlamentsentscheid wäre nicht nötig

Die Briten schienen einen Rückkauf zu erwägen. Nicht für die eigene Armee, sondern zur Weitergabe an Länder in Osteuropa, etwa an Polen oder baltische Staaten. Die liefern Waffen in grossem Umfang an die Ukraine – mit den Rapier-Systemen hätten sie entstandene Lücken in ihrer eigenen Flugabwehr stopfen können. Auch eine Weitergabe an die Ukraine ist theoretisch möglich.

Gesetzlich wäre ein Rückverkauf an die Briten kein Problem. Armasuisse-Sprecher Sievert: «Neutralitätsrechtlich ist es grundsätzlich zulässig, dass ausser Dienst gestelltes Kriegsmaterial aus den Beständen der Schweizer Armee an das Herstellerland zurückverkauft oder diesem kostenlos und ohne Auflagen überlassen wird.» Kommt hinzu: Weil die Systeme bereits ausgemustert sind, bräuchte es keine Zustimmung des Parlaments mehr – nötig wäre einzig eine Bewilligung des Wirtschaftsdepartements.

Bahnte sich nach dem Deal über Leopard-2-Panzer mit Deutschland, für den der Bundesrat am letzten Mittwoch grünes Licht gab, nun also ein weiterer Ringtausch an? «Da keine offizielle Anfrage vorliegt, lässt sich auch nicht sagen, was Grossbritannien mit den Systemen vorhätte», sagte Armasuisse-Sprecher Sievert am Freitagmittag.

Werden die Raketen trotzdem verschrottet?

Wenige Stunden später war sowieso alles anders. Um 19 Uhr meldete sich Sievert erneut: «Wie mir eben mitgeteilt wurde, hat Grossbritannien kein Interesse an den Schweizer Rapier-Systemen.» Dies hätten die Briten ausrichten lassen.

Ein weiterer denkbarer Deal zur indirekten Unterstützung der Ukraine durch die Schweiz ist damit vom Tisch.

Dabei hätten viele Parlamentarier einen solchen Schritt begrüsst, unter ihnen Hans-Peter Portmann. Der FDP-Nationalrat weiss, wovon er spricht: Er war bei der Fliegerabwehr Einsatzkommandant im Rang eines Obersts. «Die Rapier-Systeme sind zwar schon älter, aber noch voll einsatzfähig und treffsicher», sagt Portmann.

Was nun mit den verbliebenen Abwehrraketen geschieht, ist derzeit unklar. Werden sie verschrottet? Armasuisse weiss es noch nicht. «Melden Sie sich im Verlauf der nächsten Woche wieder», rät Sprecher Sievert dem SonntagsBlick.

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