Auf einen Blick
- Lehrkräfte unzufrieden mit aktueller Inklusion in Schulen
- Integration verhaltensauffälliger Kinder führt zu Leistungsabfall in Klassen
- 63 Prozent fordern flächendeckende Einführung von Förderklassen
Seit 20 Jahren ist die Inklusion in der Schweiz gesetzlich verankert – auch in der Schule. Über Sinn und Unsinn der integrativen Förderung von Kindern und Jugendlichen streiten Experten, Parteien und Lehrkräfte jedoch bis heute. Eine Umfrage aus dem Raum Basel zeigt nun: Kaum eine Lehrkraft ist mit der aktuellen Handhabung zufrieden.
An der anonymen Befragung des Vereins Starke Schule beider Basel nahmen insgesamt 786 Personen teil. 664 davon sind selbst Lehrpersonen – die Mehrheit auf Primarstufe. Sie lassen an der Einschulung behinderter Kinder, verhaltensauffälligen Jugendlichen oder Schülerinnen und Schüler mit psychischen Erkrankungen kein gutes Haar: Für fast 90 Prozent sei klar, dass die integrative Schule, wie sie heute durchgeführt wird, überdacht und korrigiert werden müsse.
Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern unbefriedigend
Das vernichtende Urteil begründen die Befragten jedoch auf verschiedene Arten. Ein Teil ist der Ansicht, dass Schülerinnen und Schüler mit ausserordentlichen Bedürfnissen durch die Einschulung mit leistungsstärkeren überfordert werden. Andere Kommentare schreiben von einem umgekehrten Effekt. Nämlich, dass begabte Kinder durch die Inklusion zurückgehalten würden.
Insbesondere die Integration von Kindern, die verhaltensauffällig sind, wird kritisiert. Ein Grossteil der Umfrageteilnehmer ist der Meinung, dass diese zu einem bedeutenden Leistungsabfall der gesamten Klasse führe. Fast drei Viertel geben auf einer Skala von 0 bis 10 mindestens eine 7 an.
Grosser Wunsch nach Sonderklassen
Uneinig sind sich die Befragten, ob dies bei lernschwachen Kindern ebenfalls der Fall ist. Diese stören zwar den Unterricht nicht, bedeuten aber einen hohen Betreuungsaufwand. Je ein Drittel der Befragten sieht den Einfluss als gering (0 bis 3), mittelmässig (4 bis 6) und hoch (7 bis 10) an.
So oder so: Der Wunsch nach Sonderklassen ist hoch. 63 Prozent der Befragten fordern eine flächendeckende Einführung von Förderklassen. Im Kanton Baselland werden diese nur noch teilweise eingesetzt. Im Kanton Basel-Stadt sind sie bereits seit 2011 abgeschafft. Vor zwei Wochen krebste das Basler Kantonsparlament jedoch zurück: Zukünftig sollen sie zumindest für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwäche oder Lernstörungen wieder möglich sein.
Lehrer-Verein sieht grossen Handlungsbedarf
Verhaltensauffällige Kinder bleiben somit in den Regelklassen. Das scheint aber trotz des grossen Unmuts auch im Sinne der befragten Lehrkräfte und bildungsinteressierten Personen: Sie sehen die Kleinklassen für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwäche in der Umfrage als deutlich sinnvoller an als für verhaltensauffällige Störenfriede.
«Die Umfrage zeigt unmissverständlich: Lernwirksamer Unterricht für alle ist nur mithilfe von Kleinklassen möglich», schreibt Starke Schule beider Basel zu den Umfrageergebnissen. Für den Verein zeigen die Antworten sofortigen Handlungsbedarf an. Unter anderem brauche es eine bessere Ausbildung der Lehrpersonen sowie das Einfordern von Anstandsregeln und die Förderung des sozialen Verhaltens der Schülerinnen und Schüler. Dabei seien auch die Eltern gefordert, schreibt der Verein. Sie sollen ihre Erziehungspflichten wahrnehmen.