Auf einen Blick
- Debatte über integrative Schule in der Schweiz
- Initiativen in Basel-Stadt und Zürich fordern Förderklassen
- Auch FDP will integrative Schule abschaffen
Die integrative Schule sorgt für hitzige Debatten im Schweizer Bildungswesen. Immer wieder, seit sich 2005 der Gedanke durchgesetzt hat, dass auch Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, Lernschwächen oder Behinderungen in regulären Klassen unterrichtet werden sollen. Massgeschneiderte Förderannahmen sollten das ermöglichen.
Die Kantone gründeten 2007 dafür ein Sonderpädagogik-Konkordat, dem inzwischen 16 Stände angehören. Dieses Abkommen stellt Integration über die Trennung in spezielle Klassen. Dadurch wurden die früher weit verbreiteten Klein- und Förderklassen fast vollständig abgeschafft. Doch die Zweifel am Konzept sind nie verstummt.
Initiative in Basel-Stadt
So reichte etwa im Kanton Basel-Stadt 2022 ein überparteiliches Komitee eine Volksinitiative zur Wiedereinführung von Kleinklassen ein. Heute werden diese als Förderklassen bezeichnet. Die Bildungs- und Kulturkommission (BKK) des Grossen Rates lehnte diese Initiative allerdings klar ab. Stattdessen stellte sich die Mehrheit hinter einen Gegenvorschlag der Regierung.
Doch das genügte den Initianten nicht. Ende Juni dieses Jahres präsentierte die Parlamentskommission schliesslich eine überarbeitete Version. Sie kommt den Initianten so weit entgegen, dass diese einen Rückzug ihrer Initiative ernsthaft in Erwägung ziehen.
Im neuen Vorschlag steht, dass Schülerinnen und Schüler mit allgemeinen Lernschwächen oder schweren Lernstörungen künftig in heilpädagogischen Förderklassen unterrichtet werden sollen. Anders als ursprünglich geplant, sollen verhaltensauffällige Jugendliche jedoch in den regulären Klassen bleiben, wo sie durch Sozialarbeiter unterstützt werden sollen.
Widerstand auch in Zürich
Auch in anderen Kantonen braut sich Widerstand gegen die integrative Schule zusammen. In Zürich haben Bildungspolitiker von FDP, GLP und SVP eine kantonale Volksinitiative mit dem Titel «Fördern statt Überfordern» (Förderklassen-Initiative) eingereicht.
Ihr Ziel: Verhaltensauffällige und lernschwache Schülerinnen und Schüler sollen wieder leichter in Förderklassen abgeschoben werden können – für mindestens ein halbes Jahr. Die Initiative geht an den Regierungsrat und könnte im Kantonsparlament durchgewinkt werden – ausser, es kommt zum Referendum.
Der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband sowie weitere Schul- und Elternverbände laufen nämlich Sturm gegen die Initiative. Sie befürchten, dass diese die Chancengleichheit gefährde und bestehende Probleme nur verschärfe. Ihre Forderung: Mehr Ressourcen für die integrative Schule statt Rückschritte in die Vergangenheit.
Integrative Schule auch national ein Thema
Auch in Luzern wächst der Unmut. Die SP stellte im Kantonsrat Mitte August kritische Fragen an die Regierung. Sie verlangt eine erneute Prüfung des Systems und will wissen, wie der Kanton mit verhaltensauffälligen Schülern umzugehen gedenke.
Auf nationaler Ebene wird das Thema ebenfalls heiss diskutiert: Die FDP, angeführt vom Präsidenten Thierry Burkart (49), forderte Mitte Juni ebenfalls die Abschaffung der integrativen Schule. Die Partei sieht das Modell als gescheitert an, da es sowohl lernschwache Kinder benachteilige als auch den Regelunterricht störe.
Und auch die Lehrerschaft zeigt Belastungsgrenzen: Dagmar Rösler (52), die Zentralpräsidentin von Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), betonte Anfang des Jahres, dass Lehrpersonen zunehmend überfordert seien. Trotzdem hält sie an der integrativen Schule fest.