Oberste Lehrerin Dagmar Rössler zur Kritik an der integrativen Schule
«Die Hü-und-hott-Politik schadet der Schule»

Die integrative Schule steht in der Kritik. Dagmar Rösler, die oberste Lehrerin der Schweiz, nimmt Stellung. Sie beantwortet in unserer Rubrik «Nachgefragt» sechs Fragen zum Thema.
Publiziert: 10.08.2024 um 17:26 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2024 um 09:34 Uhr
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Für die oberste Lehrerin Dagmar Rösler ist die integrative Schule nicht gescheitert.
Foto: Thomas Meier

Dagmar Rösler, ein Positionspapier der FDP fordert die Abschaffung der integrativen Schule. Was halten Sie davon?
Dagmar Rösler: Grundsätzlich finde ich es gut, dass die FDP ganz explizit anerkennt, welch wichtigen Auftrag die Volksschule erfüllt. Auch finde ich die Problemanalyse gelungen. Es stimmt, wir sind an einer Grenze angekommen. Die Belastung der Lehrpersonen, die Digitalisierung und natürlich die integrative Schule stellen uns vor Herausforderungen.

Sie können die Kritik also verstehen?
Ja, aber das bedeutet nicht, dass die integrative Schule gescheitert ist. Im Gegenteil, ich sehe gerade in der sozialen Bildung eine wichtige Aufgabe der Schule.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Nicht des Elternhauses?
Wer fordert, die Schule solle sich auf Kernkompetenzen wie Rechnen, Lesen und Schreiben konzentrieren, fordert eine Kehrtwende hin zu alten Strukturen. Das wäre keine Lösung, sondern ein Rückschritt. Was es braucht, ist eine Weiterentwicklung, in der auch das Fördern von Gesundheit, Kreativität, politischer Bildung und eben sozialer Integration Platz haben.

Aber dürfen Lesen, Schreiben und Rechnen darunter leiden?
Nein, natürlich nicht. Diese Kulturtechniken haben noch immer einen zentralen Platz im Unterricht – das wird auch so bleiben. Interessanterweise werden immer wieder angeblich schlechte Ergebnisse bei der PISA-Studie erwähnt. Die Schweiz ist unter den besten acht Ländern, also über dem OECD-Durchschnitt. In Mathematik schneiden Schweizer Schülerinnen und Schüler sogar herausragend ab.

Was halten Sie von einer Entschlackung des Schulprogramms durch Streichen von Fremdsprachen?
Vor zehn Jahren haben die bürgerlichen Parteien Fremdsprachen noch vorangetrieben. Jetzt stellen sie dies wieder infrage. Diese Hü-und-hott-Politik schadet Schule und Bildungsqualität. Die Volksschule ist ein Hochseedampfer, kein Segelboot, das sich nach dem Wind dreht. Es braucht nachhaltige, zukunftsorientierte Lösungen.

In welche Richtung?
Klassengrösse und Heterogenität nehmen zu. Lehrpersonen und Schulleitungen können all den Bedürfnissen und Erwartungen nicht mehr allein gerecht werden. Es braucht zusätzliche Ressourcen, um in schwierigen Situationen unbürokraktische Hilfe anzufordern. Aber aus dem Ärmel schütteln kann ich die Lösung nicht. Man muss sie durch eingehende Analysen der Situation erarbeiten.

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