Umweltbotschafter Felix Wertli im Interview
«Mit der Brechstange findet man keinen Konsens»

Ende Monat verhandelt die Welt über griffige Regeln fürs Klima. Mittendrin: Der neue Umweltbotschafter der Schweiz, Felix Wertli. Er sagt: «Wir müssen uns beeilen.»
Publiziert: 19.11.2023 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2023 um 13:46 Uhr
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Felix Wertli ist seit diesem Sommer neuer Umweltbotschafter der Schweiz.
Foto: Zvg
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Peter AeschlimannRedaktor

Herr Wertli, Sie sind neuer Umweltbotschafter der Schweiz: Ist das Klima mit Diplomatie überhaupt zu retten? 

Felix Wertli: Um den globalen Temperaturanstieg in der Nähe von 1,5 Grad Celsius zu halten, braucht es weltweit griffige Regeln. Die gute Nachricht lautet: Wir kennen die Richtung, die uns dahin bringt. Jetzt müssen die Staaten den Beweis erbringen, dass sie diesen Weg auch beschreiten wollen.

Gruppierungen wie Renovate Switzerland, deren Aktivisten sich auf den Asphalt kleben, setzen lieber auf undiplomatische Mittel.

Bei Alarmismus besteht die Gefahr, dass er sich über die Zeit abnutzt. Ich vertraue lieber dem diplomatischen Weg und der Wissenschaft. Letztere zeigt auf, welche Massnahmen ergriffen werden müssen. Diese Erkenntnisse müssen in die Klimaverhandlungen einfliessen.

Beherztes Handeln wäre etwa in Sachen Plastikmüll angesagt. Sie befinden sich gerade in Nairobi an einer Konferenz, die sich genau das zum Ziel gesetzt hat.

Das Ziel des Abkommens, über das wir verhandeln, ist, die Plastikverschmutzung zu beenden. Im Jahr 2022 hat die Uno-Umweltversammlung entschieden, dazu ein rechtlich verbindliches Abkommen zu verabschieden. In Kenia findet nun die dritte von fünf Verhandlungsrunden statt. Alle wissen: Unternehmen wir nichts, steigt die Plastikproduktion bis 2040 weltweit um zwei Drittel an.

Was unternehmen die Staaten konkret dagegen? 

Bei der Plastikproduktion werden teilweise immer noch Chemikalien verwendet, die ein erfolgreiches Recycling verunmöglichen. Die Schweiz strebt ein Verbot dieser Stoffe an. Die Wirtschaft verlangt darüber hinaus bessere Standards, um flächendeckend andere Arten von Verpackungen einzuführen. In der Schweiz etwa ist die Industrie dafür verantwortlich, dass PET-Flaschen eingesammelt und wiederverwertet werden. Dieses Prinzip könnte auf der ganzen Welt zur Anwendung kommen.

Persönlich

Felix Wertli (46) übernahm im Sommer die Leitung der Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt (Bafu). Als Umweltbotschafter vertritt er die internationale Umweltpolitik der Schweiz gegen aussen und leitet die Schweizer Delegationen in Umweltverhandlungen. Derzeit befindet sich Wertli in Nairobi, wo die Staaten an einem internationalen ­Abkommen zur Vermeidung von Plastik arbeiten. Ende ­Monat gehts weiter an die Uno-Klimakonferenz in Dubai.

Felix Wertli (46) übernahm im Sommer die Leitung der Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt (Bafu). Als Umweltbotschafter vertritt er die internationale Umweltpolitik der Schweiz gegen aussen und leitet die Schweizer Delegationen in Umweltverhandlungen. Derzeit befindet sich Wertli in Nairobi, wo die Staaten an einem internationalen ­Abkommen zur Vermeidung von Plastik arbeiten. Ende ­Monat gehts weiter an die Uno-Klimakonferenz in Dubai.

Ziehen denn da alle an einem Strang? 

Es benötigt noch viel Überzeugungsarbeit. Erdölfördernde Länder haben eingesehen, dass die Welt ein Plastikproblem hat. Die Frage lautet nun, wie sie ihre Produktion auf ein umweltverträgliches Level drosseln können.

Es vergehen Hunderte Jahre, bis Plastik vollständig zersetzt ist. 

Diese Verhandlungen benötigen einen langen Atem. Hier in Nairobi beteiligen sich rund 160 Staaten, am Uno-Klimagipfel in Dubai Ende Monat werden es fast 200 sein. Mit der Brechstange findet man keinen Konsens. Das geht nur mit Dialog.

Nach Nairobi fliegen Sie in die Vereinigten Arabischen Emirate. Kompensieren Sie diese Flüge eigentlich? 

Ja, die Flüge werden im Rahmen des Klimapakets der Bundesverwaltung kompensiert. Wir haben diesbezüglich sehr strenge Regeln. Wann immer möglich, finden die Treffen virtuell statt. Nach Berlin, London oder Brüssel gehts mit dem Zug. Unsere Delegationen, die vor Ort verhandeln, sind im internationalen Vergleich klein.

Für Ihren Chef, Albert Rösti (SVP), haben Klimafragen nicht höchste Priorität. Wie haben Sie ihn überzeugen können, an die Konferenz in Dubai zu reisen? 

Bundesräte können gut selber entscheiden, wohin sie reisen. In Dubai nehmen Staatschefs, Ministerinnen und Minister aus der ganzen Welt teil. Es ist eine einmalige Chance, sich auf höchster politischer Ebene auszutauschen. Die Schweiz ist stark vom Klimawandel betroffen. Hierzulande steigen die Temperaturen doppelt so stark an wie im weltweiten Durchschnitt. Nicht nur unsere Bergregionen wissen, was das bedeutet.

In Dubai sprudelt das Öl. Hat man da den Bock zum Gärtner gemacht? 

Die Vereinigten Arabischen Emirate investieren viel, damit die Konferenz zum Erfolg wird. Als Land, das stark abhängig ist von der Erdölförderung, haben die Emirate eine gewisse Glaubwürdigkeit bei Staaten, die ebenfalls auf fossile Energieträger setzen. Sie können diese besser ins Boot holen.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass es beim Klimaschutz harzt. Woran liegts? 

Die Positionen, wie wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen, gehen weit auseinander. Es braucht am Ende der Konferenz eine klare Botschaft: Bis 2050 muss die Abkehr von Kohle, Öl und Gas gelingen.

Wie gross schätzen Sie die Chance ein, dass am Ende ein Beschluss steht? 

Wir müssen uns beeilen. Bislang liegt kaum Text vor, nur ein paar Eckwerte. Die Verhandlungen werden zeigen, wie griffig die Empfehlungen ausfallen werden.

Die letzte Konferenz war ein Reinfall. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es dieses Mal besser wird? 

Die Emissionsverminderung war damals leider kein Schwerpunkt. Es gibt aber Anzeichen, dass es nun vorwärtsgeht. Die Kosten für erneuerbare Energien und Energieeffizienz sinken rasant, es wird viel investiert. Ein Umdenken findet statt. Die Frage ist, ob es schnell genug geht. Am Verhandlungstisch sitzen fast 200 Staaten. Man kann das mit einer Grossfamilie vergleichen, die gemeinsam einen Block bewohnt und entscheiden muss, welche neue Heizung sie kaufen soll.

Jedes Land kann ein Veto einlegen, so entsteht höchstens ein Minimalkonsens. Können wir uns das leisten? 

Die Klimaverhandlungen sind aus Sicht der Schweiz die beste Lösung, auch wenn es in kleinen Schritten vorangeht. Was es jetzt braucht, sind ambitionierte Regeln, die für alle Länder gelten. Für dieses Ziel werden wir weiter unnachgiebig verhandeln – und nötigenfalls die Ellbogen einsetzen. 

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