Ukrainerinnen erzählen von ihrer schwierigen Suche nach Arbeit in der Schweiz
1000 Bewerbungen für einen Café-Job

Bundesrat Beat Jans will, dass mehr Ukrainer und Ukrainerinnen arbeiten. Doch so einfach ist das nicht. Alina (26), Miroslava (56) und Victoria (45) - drei Frauen mit Schutzstatus S - erzählen von all den Hindernissen, die sie im Schweizer Arbeitsmarkt erleben.
Publiziert: 02.11.2024 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 02.11.2024 um 13:49 Uhr
Miroslava (l.) und Alina erzählen Blick davon, auf was für Schwierigkeiten sie bei der Jobsuche in der Schweiz gestossen sind.
Foto: sie

Auf einen Blick

  • Bundesrat-Ziel: 40 Prozent der Ukrainerinnen sollen Job haben
  • Alina erhielt nach 1000 Bewerbungen endlich eine Stelle
  • Miroslava wartete 9 Monate auf Deutschkurs
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Für den Bundesrat ist klar: Bis Ende Jahr sollen 4 von 10 geflüchteten Ukrainerinnen in der Schweiz eine Stelle haben. Heute lässt sich sagen, dass das Ziel verfehlt wird. Gemäss Staatssekretariat für Migration haben inzwischen knapp 30 Prozent eine Stelle. Wie viele davon leben können, ist nicht klar.

Der Bundesrat will nun die Schraube weiter anziehen. Im September kündigte die Regierung an, dass geflüchtete Ukrainer «zur Teilnahme an Integrationsmassnahmen verpflichtet werden» können. Sogar Kürzungen der Sozialhilfe sind möglich.

Was allerdings eindeutig ist: Bei der Arbeitssuche stossen Ukrainerinnen und Ukrainer immer wieder auf Hindernisse. Drei Frauen berichten Blick von ihren Erfahrungen und Herausforderungen auf ihrem Weg zu einem Job.

Alina (26) floh im März vergangenen Jahres aus der Ukraine in die Schweiz. In der Tasche hatte sie einen Bachelor-Abschluss und viel Motivation, auch hierzulande eine Arbeit zu finden. «Über 1000 Bewerbungen habe ich verschickt, weil ich nicht dem Sozialamt zur Last fallen wollte.» Absagen hat sie ebenso viele erhalten.

Als der Chef anrief, ging es schnell

Als sie nach dreimaligem Nachfragen die Zusage bei einer internationalen Kaffeekette erhielt, waren es die Behörden, die Alina hängenliessen. «Als Ukrainerin brauche ich eine Arbeitsbewilligung in der Schweiz, ich wartete über einen Monat darauf.» Sie hatte Glück, ihr Chef vergab den Job in der Zeit nicht anderweitig.

Er griff sogar selbst für sie zum Hörer und reklamierte beim zuständigen Kanton Bern, der sich viel Zeit liess mit dem Ausstellen der Bewilligung. «Nach dem Telefonat ging es dann sehr schnell, die Bewilligung kam innerhalb von einem Tag.» Alina begrüsst darum, dass das Parlament die Bewilligungspflicht für Ukrainerinnen und Ukrainer künftig streichen und durch eine Meldepflicht ersetzen wird.

Alina wartete über einen Monat auf die Arbeitsbewilligung, nachdem sie einen Job gefunden habe.
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«In der Ukraine haben die Unternehmen bei mir angeklopft, hier erhielt ich nur Absagen, viele haben nicht mal reagiert auf meine Bewerbung», erzählt Alina. Die junge Frau ist hoffnungsvoll, doch noch irgendwann ihren Traumjob zu finden. Bis dahin arbeitet sie im Café.

Monatelanges Warten auf Sprachkurs

Miroslava (56) floh bereits vor über zwei Jahren in die Schweiz. 23 Jahre lang arbeitete die Historikerin zuvor als Lehrerin in der Ukraine, danach war sie im Immobilien-Business tätig. In der Schweiz hat sie bis heute Probleme, eine dauerhafte Anstellung zu finden. Zu schade zum Arbeiten ist sie sich nicht, erzählt sie. Sie arbeitete schon als Temporärangestellte im Schichtbetrieb einer Fabrik und putzte. Für bessere Jobs reichten ihre Deutschkenntnisse nicht aus. Seit einem Velounfall kann sie allerdings nicht mehr körperlich arbeiten.

«Der Schweizer Staat hat mir bisher wenig geholfen, es waren Privatpersonen und NGOs, die mich immer wieder unterstützt haben», sagt Miroslava. Ihr Nachbar habe ihr etwa beim Verfassen von Motivationsschreiben geholfen. Dafür ist sie dankbar.

Doch selbst mit dieser Hilfe harzte es, Fuss zu fassen im Berufsleben. «Einmal im Monat traf ich eine Sozialarbeiterin und sagte ihr, ich wolle Deutsch lernen.» Es dauerte lange neun Monate, bis Miroslava einen Platz in einem Deutschkurs bekam. Ein Anfänger-Intensivkurs. Nebenher noch zu arbeiten, war schwierig. «Einen Deutschkurs am Samstag gab es nicht», erzählt die aufgestellte Frau dem Blick. Nebenbei habe sie darum freiwillig und ehrenamtlich gearbeitet. «Ich dachte immer, ich gehe zurück nach Lwiw. Heute muss ich sagen, dass ich längerfristig bleiben will.»

«Wir wollen nützlich sein»

Gerne würde Miroslava ihrer Familie und ihren ehemaligen Schülern an der Front helfen. «Dass ich sie bisher finanziell nicht unterstützen kann, tut mir weh», erzählt sie. Viele ihrer Bekannten und Schüler seien im Krieg gefallen, das belaste sie zusätzlich.

Miroslava floh 2022 in die Schweiz: «Der Schweizer Staat hat mir bisher wenig geholfen, es waren Privatpersonen und NGOs, die mich immer wieder unterstützt haben», sagt sie dankbar.
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Ausdauer bei der Stellensuche brauchte auch Victoria (45). Sie arbeitet heute in einem 60-Prozent-Pensum, verteilt auf fünf Arbeitstage. Sie spült Geschirr, putzt und hilft bei Küchenarbeiten aus. Von diesem Lohn leben können sie und ihre drei Kinder nicht, sagt sie. Immer wieder musste sie sich bei Bewerbungsverfahren anhören, dass Firmen keine Menschen mit Status S anstellen wollen. «Dabei können und wollen wir nützlich sein, das ist wichtig für uns», erzählt Victoria im Gespräch.

Mit den drei Kindern und den hiesigen Betreuungskosten kann sie jedoch nicht Vollzeit arbeiten. Sie träumt davon, eines Tages wieder in einem medizinischen Labor einen Job zu haben. «Dafür brauche ich bessere Deutschkenntnisse, aber ich lerne eifrig in meiner Freizeit», erzählt Victoria.

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