Bundesrat will Arbeitsscheuen Sozialhilfe kürzen
SVP-Asylchef fordert noch mehr Druck auf Ukrainer

In der Schweiz arbeiten weniger Ukrainer als in anderen Ländern. Der Bundesrat will die Erwerbsquote bis Jahresende auf 40 Prozent erhöhen, doch die Hürden sind hoch. Jetzt sorgen geplante Sanktionen und verpflichtende Integrationsmassnahmen für Kritik.
Publiziert: 27.10.2024 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2024 um 17:46 Uhr
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Adrian Gerber, Beauftragter für die Arbeitsmarktintegration, will, dass mehr Ukrainer arbeiten.
Foto: Kim Niederhauser

Auf einen Blick

  • Schweiz will mehr Ukrainer im Arbeitsmarkt integrieren
  • Hürden: Hochspezialisierter Arbeitsmarkt, fehlende Anerkennung von Englisch
  • Bundesrat will Sanktionen
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Im Vergleich zu anderen Ländern arbeiten in der Schweiz weniger Ukrainerinnen und Ukrainer. Bei 28,5 Prozent liegt die Erwerbsquote. Der Bundesrat um Asylminister Beat Jans (60) will bis Ende Jahr 40 Prozent erreichen – das scheint aussichtslos. «Die Einstiegshürden sind hoch, da unser Arbeitsmarkt hochspezialisiert ist. Dazu kommt, dass Englisch im Schweizer Arbeitsmarkt kaum anerkannt ist. Eine weitere Hürde ist die Kinderbetreuung», sagt Adrian Gerber, Beauftragter des Bundes für die Arbeitsmarktintegration der Ukrainer, im «Sonntagsblick». Er nimmt die Firmen in die Verantwortung.

Doch der Bundesrat will auch bei der Integration der Ukrainer ansetzen – zur Not auch mit Sanktionen. Schon im September kündigte die Regierung an, dass geflüchtete Ukrainer «zur Teilnahme an Integrationsmassnahmen verpflichtet werden sollen». Sogar die Kürzungen der Sozialhilfe ist möglich. Schon jetzt wären solche Massnahmen erlaubt – nun will der Bundesrat aber offenbar deutlich machen, dass Kantone und Gemeinden härter durchgreifen sollen, schreibt der «Sonntagsblick». 

SP sieht widersprüchliche Botschaften

SP-Nationalrätin Nina Schläfli (34) findet diese Druckversuche «extrem fragwürdig». Man sende widersprüchliche Botschaften. «Einerseits müssen die Ukrainer sich auf eine Rückkehr einstellen, gleichzeitig sollen sich integrieren.» Schläfli befürwortet es, dass die geflüchteten Personen in der Schweiz arbeiten. Doch die administrativen Hürden seien zu hoch, gleichzeitig würden die Diplome nicht anerkannt und es mangelt an bezahlbaren Kinderbetreuungsplätzen. 

Die Kürzung bei der Sozialhilfe würde viele Mütter mit ihren Kindern treffen, befürchtet sie. «Schon jetzt bekommen die Ukrainer im Vergleich zu anerkannten Flüchtlingen weniger Geld.» Schläfli fordert den Bund – und damit den SP-Asylminister Jans – auf, stattdessen kreativ zu werden. «Man könnte zum Beispiel überlegen, ob ukrainische Lehrerinnen auch in der Schweiz Ukrainisch unterrichten könnten.»

Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe ist skeptisch. Die Bemühungen von ukrainischen Geflüchteten sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren seien hoch. Das zeige den Anstieg bei den Sprachkursen. 

«Rückkehr zwingend»

Für SVP-Asylchef Pascal Schmid (48) gehen die Massnahmen aus Jans' Departement in die richtige Richtung, aber zu wenig weit. «Man darf erwarten, dass die Ukrainer, die fast ohne Kontrolle in die Schweiz kommen, hier auch arbeiten.» Mehr Integration bedeutet aber auch, dass die Geflüchteten möglicherweise in der Schweiz bleiben wollen. Der Schutzstatus S ist aber auf eine Rückkehr ausgelegt. Für Schmid ist das kein Widerspruch. «Wird der Schutzstatus aufgehoben, ist die Rückkehr zwingend. Es müssen einfach genügend lange Übergangsfristen gelten, damit sich die Unternehmen darauf einstellen können.»

Dass die Sozialhilfe gekürzt werden kann, findet der SVP-Nationalrat richtig. «Auch deutlich mehr als die vorgeschlagen 15 Prozent. Sanktionen müssen wehtun, sonst sind sie wirkungslos.» In Polen, Tschechien und Dänemark sei die Erwerbsquote deutlich höher. «Nicht wegen der Sprache, sondern weil in der Schweiz die Sozialhilfe zu hoch und der Druck zu klein ist. Das System wird viel zu oft missbraucht.» Für Schmid könnten die Sanktionen noch weiter gehen: «Wir müssen auch den Entzug des Schutzstatus zur Diskussion stellen.»

Klar ist: Der Schutzstatus S gerät unter Druck. Nur hauchdünn entschied am Freitag die Staatspolitische Kommission des Nationalrats, einen Vorstoss abzulehnen, der beim Schutzstatus nach Regionen unterscheiden wollte. Gut möglich, dass es im Rat anders aussieht. 

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