Ukraine guckt in die Röhre
Armee entsorgt funktionstüchtige Flugabwehr-Raketen

Die Schweiz ist derzeit daran, Flugabwehr-Systeme zu verschrotten. Waffen, die noch funktionieren würden und weitergegeben werden dürften. Sicherheitspolitikerinnen kritisieren das Vorgehen des Bundes angesichts des Ukraine-Kriegs.
Publiziert: 12.03.2023 um 02:09 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2023 um 06:27 Uhr
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In den 80er Jahren hat die Schweiz 60 dieser Rapier-Flugabwehrsysteme beschafft.
Foto: Keystone

Im Ausland schüttelt man den Kopf über die Weigerung der Schweiz, anderen Ländern die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen und Munition in die Ukraine zu erlauben. Nun dürfte das Unverständnis noch grösser werden.

Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, ist die Armee momentan daran, Fliegerabwehr-Waffen zu entsorgen. 60 sogenannte Flab-Systeme des Typs Rapier, die in Grossbritannien hergestellt wurden, werden verschrottet.

Über 40 Jahre alt

Die Raketen sind in den 80er Jahren beschafft worden. Ende 2022 wurde das System ausgemustert. «Es kann heutigen Bedrohungen aus der Luft nicht mehr wirksam entgegenhalten», begründete der Bund in der Armeebotschaft 2020 die Entsorgung. Gegen moderne Kampfflugzeuge sei das System weitgehend wirkungslos. Zudem gebe es keine Ersatzteile mehr. Schon seit 2019 wurden deswegen auch keine Rekruten mehr am Rapier-System ausgebildet.

Die «NZZ am Sonntag» verweist auf einen Beschluss des Bundesrats aus dem Jahr 2006, dass ausländische Systeme, die ausser Dienst gestellt werden, in erster Priorität an den Hersteller zurückverkauft werden sollen. Und das ohne Auflage, dass die Waffen nicht weitergegeben werden dürfen.

Erste Tranche schon zerlegt

Doch bei Rapier entschied man sich schon 2019 für die Entsorgung. Eine erste Tranche des Waffensystems ist laut der Armee bereits zerlegt, drei weitere sollen folgen. «Es ist vorgesehen, dass auch in diesen weiteren Tranchen die Systeme allesamt demontiert und entsorgt werden», wird Armasuisse-Sprecher Kaj-Gunnar Sievert im Artikel zitiert.

Offenbar hat Grossbritannien nie ein Gesuch gestellt, die Waffen zurückzuerhalten. Man habe bei den Briten aber auch nicht nachgefragt. «Es ist nicht üblich, dass die Schweiz ausser Dienst gestellte militärische Systeme aktiv zum Kauf anbietet», so Sievert.

«Raketen sind nicht völlig veraltet»

Bei Peter Schneider, dem ehemaligen Chefredaktor der «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift», stösst die Ausmusterung angesichts des tobendes Krieges in der Ukraine auf Unverständnis. «Die Raketen sind alt, aber sie sind auch nicht völlig veraltet», sagt er zur «NZZ am Sonntag». Gegen tief fliegende Ziele wie Drohnen könnten sie aus seiner Sicht noch sehr gut eingesetzt werden, und auch Kampfjets und Helikopter könnten damit bekämpft werden.

Auch Sicherheitspolitikerinnen sind irritiert. «Die Schweiz hätte mindestens in Grossbritannien nachfragen müssen, ob diese Waffen noch gefragt sind», findet SP-Nationalrätin Franziska Roth (56). Und FDP-Kollegin Maja Riniker (44) ist der Meinung, dass eine Information des Herstellers angebracht gewesen wäre. «Woher sollen die Briten wissen, was die Schweiz alles in den nächsten Jahren ausser Dienst zu stellen plant?»

Bei der SVP ist man skeptisch

Anders sieht man das bei der SVP. Rechtlich wäre der Rückverkauf der Rapier ohne Auflagen möglich, bestätigt Mauro Tuena, SVP-Nationalrat und Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission der Grossen Kammer. Doch neutralitätspolitisch hält er einen Verkauf derzeit für «schwierig».

Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, plant die Armee, in den nächsten Jahren noch mehrere weitere ausländische Waffensysteme auszumustern – darunter 248 Schützenpanzer und mehr als 100 Artilleriekanonen, beides US-amerikanische Systeme, die derzeit in der Ukraine im Einsatz sind.

FDP-Sicherheitspolitikerin Riniker rechnet damit, dass die USA ein Gesuch stellen werden, die Waffen zurückzubekommen, sollten «die geopolitischen Spannungen derart hoch bleiben». Die Schweiz müsse sich darum politisch auf solche Anfragen vorbereiten. (lha)

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