Am Donnerstag kam in einem Sitzungszimmer des Bundeshauses eine diplomatisch brisante Angelegenheit zur Aussprache. SVP-Nationalrat Franz Grüter (59) hatte die ukrainische Botschafterin Iryna Wenediktowa (44) zum Treffen geladen. Dabei ging es um ein Schreiben, das Grüter als Präsident der Aussenpolitischen Kommission Ende Februar von seinem Amtskollegen aus der Ukraine erhalten hatte. In dem Brief, den SonntagsBlick einsehen konnte, bittet der Vorsitzende Oleksandr Merezhko (52) um eine «Intensivierung der Beziehungen».
Drei Tage nach Eintreffen des Briefs berichtete die US-Zeitung «Wall Street Journal», dass eine Delegation ukrainischer Politiker eine Reise nach Bundesbern plane, um im Schweizer Parlament für ein Umdenken in Sachen Waffenexporte zu weibeln. In dem Artikel verlangte Merezhko so unverblümt wie undiplomatisch: «Die Schweiz muss mehr tun, um der Ukraine zu helfen.»
Grüter irritiert
Für Franz Grüter ein Affront. Es irritiere ihn, wenn er in einem formellen Schreiben um ein Treffen zwecks Intensivierung der Beziehungen gebeten werde, nur um kurze Zeit später aus der Zeitung zu erfahren, was die wahren Absichten dieser Kontaktaufnahme seien: «So macht es den Anschein einer gezielten Kampagne.»
Bei seinem Treffen mit der Botschafterin sprach Grüter seine Irritation an – und überreichte der Diplomatin seinerseits ein Schreiben an die ukrainischen Kollegen. Darin bittet er um eine Traktandenliste: Welche Themen sollen besprochen werden, was wäre die geeignete Form für einen Austausch? Sobald diese Punkte geklärt seien, so Grüter, stünde einem Treffen grundsätzlich nichts im Wege. Wenn es den Ukrainern jedoch einzig um Waffenexporte gehe, sähe es nach den Entscheidungen der vergangenen Sessionswoche anders aus.
Zur Erinnerung: Am Montag versenkte der Ständerat eine Motion von FDP-Ständerat Thierry Burkart (47), die eine Weitergabe von aus der Schweiz exportiertem Kriegsmaterial möglich machen sollte. Und am Mittwoch zog der Nationalrat einem Vorstoss seiner sicherheitspolitischen Kommission die Zähne: Indirekte Waffenlieferungen sollen nur dann möglich sein, wenn der Uno-Sicherheitsrat einen Krieg als völkerrechtswidrig verurteilt – was beim Überfall gegen die Ukraine niemals eintreten wird, da Russland einen solchen Beschluss als ständiges Mitglied mit seinem Vetorecht verhindern kann.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Letzte Hoffnung, um indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine doch noch möglich zu machen, ist nun eine parlamentarische Initiative, welche die SP gemeinsam mit der FDP ausgeheckt hat. Länder wie Spanien oder Deutschland sollen künftig in der Schweiz gekauftes Rüstungsmaterial an die Ukraine weitergeben dürfen – vorausgesetzt, die Uno stellt den Verstoss eines Angreifers gegen das Völkerrecht fest und es liegt ein Gesuch der ausfuhrwilligen Nation an den Bundesrat vor. Sie werde den Vorstoss in der Woche nach Sessionsende in der Sicherheitspolitischen Kommission verteidigen, sagt Mit-Initiantin Franziska Roth (56, SP): «Der Kompromiss ist nicht tot.»
Anders sieht das der Zürcher SVP-Nationalrat Mauro Tuena (51). Der Präsident der sicherheitspolitischen Kommission gibt dem Kompromiss nach den Waffen-Abstimmungen in beiden Kammern von letzter Woche keine Chance mehr. Die Mehrheiten seien überdeutlich, so Tuena: «Das Parlament will keine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes.» Dass die Ukrainer mit ihrem Brief jetzt versuchen würden, in interne Prozesse einzugreifen, irritiert Tuena: «Wissen die Kollegen überhaupt, was direkte Demokratie bedeutet?»
Trotz holprigen Auftakts zeigt sich Franz Grüter gesprächsbereit – sofern die Themen passen: «Wir erklären den Ukrainern gerne die Position der Schweiz.» Für Aussenstehende sei es nicht immer einfach zu verstehen, wie hier Gesetze gemacht werden. Kommen die Ukrainer tatsächlich, werden sie zwar keine Zusage für Waffen bekommen – aber immerhin eine Lektion in Schweizer Staatskunde.