Ein Wettstreit um Schutzmasken war ausgebrochen, als sich das Coronavirus vor einem Jahr immer mehr ausbreitete. Auch die Armeeapotheke musste ab März 2020 innert kurzer Zeit für Hunderte Millionen Franken Schutzausrüstung beschaffen. Keine leichte Aufgabe – und nicht immer war sie von Erfolg gekrönt.
Zu Beginn der Corona-Pandemie war die Armeeapotheke überfordert. Das zeigten mehrere interne Statusberichte. Mal bewahrte das Aussendepartement die Armee vor einem millionenteuren Masken-Debakel. Mal machte die Armee Anbieter über Nacht zu Multimillionären. Mal wollte die Armee ungenügende Masken nach Afrika verkaufen.
Pleiten folgten auf Pech und Pannen, bis die Armeeapotheke den Rank fand. Das ging so weit, dass im letzten Mai die Armeeapotheke der Logistikbasis der Armee (LBA) unterstellt, der langjährige Chef abgesetzt und zum Chefapotheker degradiert wurde.
Positive Bilanz – trotz allem
Dennoch: Im nun vorliegenden Prüfbericht zieht die interne Revision des Verteidigungsdepartements VBS ein mehrheitlich positive Bilanz. Ende Januar hatte Bundesrätin Viola Amherd (58) die internen Prüfer mit der Aufarbeitung der Schutzgüter-Beschaffung beauftragt.
Trotz schwieriger Bedingungen hätten die Mitarbeiter der Armeeapotheke den Auftrag des Bundesrats zielführend erfüllt, bilanziert die departementsinterne Revision. «Sie leisteten einen wesentlichen Beitrag, damit das Gesundheitssystem der Schweiz vor dem Kollaps bewahrt und die Bevölkerung mit Schutzmaterial versorgt werden konnte», klopft man sich beim VBS gleich selber auf die Schulter. Eine «aussergewöhnliche Leistung in ausserordentlicher Lage», titelt der Bericht.
Natürlich sei in dieser Krisensituation nicht alles rund gelaufen, weiss auch die interne Revision VBS. Für sie aber bestehen «starke Anzeichen», dass das VBS die Masken zu Marktpreisen eingekauft hat. Wucher- und Übervorteilungsvorwürfe könnten aber nur ein Gericht abschliessend entkräften.
In der Kritik steht unter anderem ein Millionen-Deal mit zwei Schweizer Jungunternehmern der Firma Emix. Die unter anderem der Armee mangelhafte Masken zu Höchstpreisen verkauft haben sollen. Emix sei einer der wenigen Anbieter gewesen, die 2020 eine funktionierende Lieferkette sicherstellen und hohe Volumen an Masken liefern konnten, reagierte die Firma am Donnerstag in einer Mitteilung auf den Prüfbericht.
Qualität spielte zeitweise eine «untergeordnete Rolle»
Allerdings: In der kritischen «Phase rot» von März bis Mitte April 2020 sei es vor allem darum gegangen, «überhaupt Masken am Markt beschaffen zu können. Deren Qualität spielte in dieser Zeit auf dem Weltmarkt eher eine untergeordnete Rolle», ergänzen die Revisoren. Dennoch geben sie ihren VBS-Kollegen auch hier gute Noten: Insgesamt sei bei der Beschaffung der Masken den Grundsätzen der Sparsamkeit und dem wirtschaftlichen Einsatz der Mittel bestmöglich nachgelebt worden.
Doch die Revisoren erkennen auch Verbesserungspotenzial und geben Empfehlungen ab, etwa zur Kompetenzenordnung in der Krisensituation, zur Prüfung der Qualität und zu den Kontrollen im Einkaufsprozess.
Probleme traten auch bei der Warenbewirtschaftung auf. So erwiesen sich Dokumentation und Prozessverarbeitung als ständiger Knackpunkt. «Es besteht in der Armeeapotheke ein grundsätzliches Problem, dass die Auftragsabwicklung systematisch ungenügend unterstützt und dokumentiert werden kann», ist in internen Berichten zu lesen.
Gleichzeitig zeigt der Prüfbericht in verschiedenen Bereichen Verbesserungspotential auf und formuliert konkrete Empfehlungen. So wurden die internen Regeln bei den Einkäufen teilweise nicht befolgt. Eigentlich müssten alle Ausgaben über 10 Millionen Franken vom Armeechef unterzeichnet werden.
Die Käufe erfolgten in der Krise jedoch mit einem Vieraugenprinzip – ohne die schriftliche Genehmigung des Chefs. Diese Praxis wurde nach dem Frühjahr 2020 fortgesetzt. Die Prüfer kommen zu Schluss, dass dieses Vorgehen mindestens als Ausnahmeregelung hätte festgehalten werden müssen.
«Fehlerpotenzial» und «Ungereimtheiten»
Einmal mehr zeigt sich die IT-Problematik beim Bund: Durch die Verwendung unterschiedlicher Systeme fehlte eine durchgehende Auftragsabwicklung. Eine Übersicht und klare Verantwortlichkeiten fehlten. Bei Lieferungen wurden Terminverzögerungen oder Qualitätsmängel nicht erkannt. So besteht das Risiko, dass die ursprüngliche Bestellung sowohl in der Menge und den Preisen nicht mehr der dazugehörigen Lieferung und Rechnung entspricht. Die Kontrollen hätten hier nicht immer funktioniert.
Zu diesem Schluss kam auch die Eidgenössische Finanzkontrolle. «In unseren Systemen besteht momentan keine verlässliche Möglichkeit, Lagerbewegungen, Wareneingänge oder Lieferungen etc. nachzuvollziehen», berichtete sie. Prüfer sprachen von «Fehlerpotenzial» und «Ungereimtheiten». Davon ist im nun vorliegenden Prüfbericht nichts zu lesen.
Fragen bleiben zudem zu der Qualität der eingekauften Schutzmasken offen. So stellt die interne Revision VBS fest, dass bis heute nur vereinzelt Mängelrügen an Lieferanten ausgestellt wurden. Das deute darauf hin, «dass den gängigen Qualitätsbestrebungen nicht vollumfänglich nachgekommen wurde». Sollten heute noch Mängel auftreten, seien diese wegen abgelaufener Fristen nur noch schwer zu beanstanden.
«Das VBS hat nie Masken von Emix beanstandet», betonen die Jungunternehmer nun. In anderen Fällen hingegen wurde Strafanzeige eingereicht – gegen Emix direkt oder gegen unbekannt. Dass die Armee die Qualität nicht umfassend kontrolliert haben soll, «kann nicht den Lieferanten angelastet werden», finden die Jungunternehmer und versichern: Wäre es zu Beanstandungen gekommen, hätte Emix solche Masken ausgetauscht.
Erste Schritte sind eingeleitet
Verteidigungsministerin Amherd hat ihr Generalsekretariat sowie Armeechef Thomas Süssli (54) beauftragt, die Empfehlungen der Revisoren bis Ende Jahr umzusetzen. Erste Schritte seien bereits eingeleitet, betont das VBS. Denn auch das Departement ist sich der Probleme und Fehler bewusst.
Auf Kritik scheint das VBS aber verzichten zu wollen – und zitiert im Prüfbericht den ehemaligen Bundesrat Willi Ritschard (1918-1983): «Auf hundert Besserwisser gibt es nur einen Bessermacher.»
*Namen geändert