Deal für «undichte» China-Masken war schon parat
Cassis bewahrte Amherd vor 120-Millionen-Flop

Der Deal für 250 Millionen Schutzmasken aus China war schon aufgegleist. Doch dann intervenierte die Schweizer Botschaft in China und warnte noch rechtzeitig vor «undichten Masken». Damit bewahrte das Aussendepartement die Armee vor einer Blamage.
Publiziert: 25.08.2020 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2021 um 08:35 Uhr
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Rund 300 Millionen Schutzmasken hat der Bund beschafft.
Foto: imago images
Ruedi Studer

Die Corona-Pandemie bringt den Bund im Frühjahr arg ins Schwitzen: Engpässe beim Schutzmaterial – vor allem bei Masken – sorgen für Stress. Die Vorräte reichen für maximal einen Monat, wie der SonntagsBlick publik machte. In einer Sitzung des bundesrätlichen Corona-Krisenstabs ist sogar von einer «nationalen Anbauschlacht» für in der Schweiz produzierte Schutzmaterialien die Rede. So steht es in den Corona-Protokollen des Aussendepartements (EDA), in welche BLICK gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Einsicht nehmen konnte.

Mit der Maskenbeschaffung ist die Armeeapotheke im Verteidigungsdepartement (VBS) von CVP-Bundesrätin Viola Amherd (58) beauftragt. Doch die Militärs tappen im Dunkeln. Denn: Solange der Bundesrat keine Maskenstrategie vorgibt, bleibt der landesweite Bedarf unklar. Drei Varianten stehen Anfang April zur Debatte: der Status quo ohne Maskenpflicht, eine Teilmaskenstrategie mit Masken bloss für die arbeitende Bevölkerung oder eine Vollmaskenstrategie mit Masken für die ganze Bevölkerung.

Armee rüffelt Bund

In dieser Zeit bittet Beschaffungskoordinator Markus Näf im Corona-Ausschuss des VBS gleich mehrfach um eine Klärung der Maskenstrategie und des Bedarfs, wie entsprechende Protokolle zeigen. «Das BAG macht derzeit keine klaren Aussagen zur Maskenstrategie», ärgert sich Näf am 9. April.

Eine Woche später ist die Frage endlich geklärt. Bis Ende April soll der Bund über 100 Millionen Masken verfügen – insgesamt sollen rund 300 Millionen beschafft werden. «Das Tragen von Masken soll keine Pflicht sein, kann jedoch in Schutzkonzepten vorkommen», heisst es später im bundesrätlichen Corona-Krisenstab. Gerechnet wird mit sechs Millionen Masken pro Tag – jeweils einer Maske pro Person.

Amherds Mannen im Beschaffungsstress

Der Schutzmaterial-Markt ist zu dieser Zeit umkämpft, Lieferungen aus Deutschland, Frankreich oder Italien sind zwischenzeitlich sogar blockiert. Die Armeeapotheke ist unter Beschaffungsdruck. Das oberste Ziel: Es müssen rasch Millionen Masken her! Vor allem aus China sollen diese kommen. Mitte April vermeldet Näf im VBS-Ausschuss: «Es laufen intensive Verhandlungen mit strategischen Lieferanten aus China.»

Doch im Beschaffungsstress schauen Amherds Militärs offenbar nicht genau hin. Und laufen den Chinesen beinahe ins offene Messer. Ein Vertrag mit einem chinesischen Anbieter ist offenbar schon aufgegleist. So hält ein EDA-Briefing einen Tag nach Näfs Erfolgsmeldung fest: Die Armeeapotheke will 250 Millionen Masken beschaffen für 120 Millionen Franken, dabei würden sämtliche Bedingungen des Herstellers akzeptiert – ein Vertrag nach chinesischem Recht, für grosse Mengen und mit langen Fristen.

Schweizer Botschaft warnt vor «undichten Masken»

Doch das EDA von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (59) interveniert. Denn die Schweizer Botschaft in Peking «hat festgestellt, dass die Firma von den chinesischen Behörden in den letzten drei Jahren siebenmal gebüsst wurde wegen undichter Masken». Flugs meldete die Botschaft der Armee ihre Bedenken und übermittelte ihr «eine Liste mit zertifizierten Herstellern inklusive Lieferfristen». Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gibt dem EDA Rückendeckung: Es «wäre grobfahrlässig», nur auf einen einzelnen Hersteller zu setzen.

Man stelle sich vor: 250 Millionen undichte Masken? Ein Debakel, noch grösser als jenes mit den zurückbeorderten Müffelmasken. Der Deal wird abgeblasen. Mit seiner Intervention bewahrt Cassis' Aussendepartement Amherds Verteidigungsdepartement vor einem Masken-Schlamassel.

Armee findet rechtzeitig den Rank

Die Armee findet gerade noch rechtzeitig den Rank. Denn wenig später kündigt Näf «weitere Verhandlungen betreffend Maskenofferten» an. Als Herausforderungen sieht er die «Qualitätssicherung vor Ort und die Logistik der in China produzierten Masken».

Im Mai berichtet er erfreut: 310 Millionen Masken wurden geordert – grössere Lieferungen aus China sind noch unterwegs. Die Mindestlagermenge von 40 Tagen ist erreicht.

Auch das EDA gibt Entwarnung: Die Botschaft hat einen Deal mit der chinesischen Firma BYD für 50 Millionen Masken vermittelt – und freut sich über die «preislich überaus attraktive und qualitativ hochstehende Beschaffung». Künftig will man auch gleich eine «strategische Partnerschaft» mit der Firma einfädeln, welche die «Stabilität der Beschaffungskanäle und damit die Versorgungssicherheit mit medizinischem Schutzmaterial in der Schweiz längerfristig sicherstellen soll» – und dies ohne Zwischenhändler.

«Unfriendly Act» der Chinesen

Rund 300 Millionen Schutzmasken hat die Armeeapotheke bis anhin beschafft – die Mehrzahl der Masken stammt aus China.

Mitten in der Krise wurde für die Lieferungen extra eine «Cargobrücke» nach China aufgebaut, wie die Corona-Protokolle des Bundes zeigen. Gegen 50 Flüge hat die Fluggesellschaft Swiss dabei durchgeführt. Dabei gab es aber auch immer wieder Schwierigkeiten: «Der Flaschenhals bei der Maskenbeschaffung ist der Transport via Luftweg aus Asien in die Schweiz», heisst es in VBS-Protokollen. So warten zeitweise bis zu 30 Millionen Masken in Lagern in Shanghai auf den Transport.

China bringt eigene Flugzeuge ins Spiel

Der EDA-Krisenstab beklagt Anfang April «neue Restriktionen in China». Bei Cargoflügen werde das ankommende Personal auf Covid-19-Symptome geprüft. Bei entsprechenden Anzeichen müsse die Crew mehrere Woche in Quarantäne.

«Dies blockiert Lieferwege», heisst es in den Protokollen. Die Schweizer vermuteten dahinter einen cleveren Schachzug der Chinesen und einen «Unfriendly Act». Denn: «China bringt auf diese Weise die eigenen Flugzeuge ins Spiel.»

Wenig später heiss es, die Frage sei behandelt worden und «geregelt». Ruedi Studer

Die Swiss führte für den Bund Dutzende Frachtflüge durch.
ZVG

Rund 300 Millionen Schutzmasken hat die Armeeapotheke bis anhin beschafft – die Mehrzahl der Masken stammt aus China.

Mitten in der Krise wurde für die Lieferungen extra eine «Cargobrücke» nach China aufgebaut, wie die Corona-Protokolle des Bundes zeigen. Gegen 50 Flüge hat die Fluggesellschaft Swiss dabei durchgeführt. Dabei gab es aber auch immer wieder Schwierigkeiten: «Der Flaschenhals bei der Maskenbeschaffung ist der Transport via Luftweg aus Asien in die Schweiz», heisst es in VBS-Protokollen. So warten zeitweise bis zu 30 Millionen Masken in Lagern in Shanghai auf den Transport.

China bringt eigene Flugzeuge ins Spiel

Der EDA-Krisenstab beklagt Anfang April «neue Restriktionen in China». Bei Cargoflügen werde das ankommende Personal auf Covid-19-Symptome geprüft. Bei entsprechenden Anzeichen müsse die Crew mehrere Woche in Quarantäne.

«Dies blockiert Lieferwege», heisst es in den Protokollen. Die Schweizer vermuteten dahinter einen cleveren Schachzug der Chinesen und einen «Unfriendly Act». Denn: «China bringt auf diese Weise die eigenen Flugzeuge ins Spiel.»

Wenig später heiss es, die Frage sei behandelt worden und «geregelt». Ruedi Studer

Beinahe-Flop bleibt unkommentiert

Ende gut, alles gut also? Den Beinahe-Flop will die Armee gegenüber BLICK jedenfalls nicht gross kommentieren. Ohne auf den konkreten Fall einzugehen, verweist sie allgemein auf umfassende Qualitätsprüfungen und -kontrollen. «Die wenigen medizinischen Güter mit Qualitätsmängeln werden entweder bereits bei den Kontrollen in China oder bei der Wareneingangskontrolle in der Schweiz zurückgewiesen und müssen vom Lieferanten ausgetauscht werden», sagt Armeesprecher Daniel Reist.

Und: «Die gesamten Beschaffungen von wichtigen medizinischen Gütern durch die Armeeapotheke werden in einem Bericht aufgearbeitet werden, sobald die Beschaffungen abgeschlossen sind.»

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200 Millionen Masken an Lager

Immerhin, die aktuelle Bilanz kann sich sehen lassen: So hat die Armeeapotheke bis Mitte August rund 285 Millionen Hygiene-Masken und rund 8 Millionen FFP2-Masken eingekauft. 22 Millionen Hygienemasken wurden an die Kantone und 18 Millionen an den Detailhandel abgegeben.

An Lager haben der Bund und die Kantone über 200 Millionen Masken. Die übrigen bestellten Masken seien derzeit in der Produktion und Auslieferung, so Reist. Aber: «Bis dato gibt es keine strategischen Partnerschaften mit Herstellern.»

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