Trotz grosser Jagd mit 51 toten Tieren – Wolf läuft mitten durchs Dorf in Altstätten SG
War Röstis Abschussaktion kontraproduktiv?

Innert zweier Monate wurden mehr als 50 Wölfe erlegt. Ganze Rudel ausgelöscht. Tiere, die niemals Probleme machten, erschossen. Zeigen sich bereits die ersten negativen Folgen davon?
Publiziert: 22.03.2024 um 18:03 Uhr
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Aktualisiert: 27.03.2024 um 09:20 Uhr
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Den Schweizer Wölfen ging es über den Winter an den Kragen. Im Bild, ein Tier aus dem sogenannten Calanda-Rudel.
Foto: ZvG
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Umweltminister Albert Rösti bläst zur grossen Wolfsjagd in der Schweiz. 51 Wölfe müssen ihr Leben lassen. Ganze Rudel werden zerschossen. Und in Altstätten SG trabt friedlich ein Wolf durch die Gassen.

Das Tier, bei dem es sich mit grösster Wahrscheinlichkeit um einen Wolf handelt, wurde kurz vor vier Uhr morgens mitten im Städtchen im St. Galler Rheintal von einer Überwachungskamera eingefangen worden, wie «20 Minuten» berichtete. Kurz zuvor hatte ein Wolf im Zürcher Weinland für Aufregung gesorgt.

Zeigt sich nun, was Tierschützer schon lange befürchtet hatten? Röstis Wolfsgemetzel mag in Bergregionen wie dem Berner Oberland, aus dem der Bundesrat selbst stammt, zwar viele Anhänger haben, der Nutzen ist aber fraglich. Manche befürchten gar, dass die Aktion kontraproduktiv war. Dass Jungtiere aus einem Rudel plötzlich auf sich allein gestellt sind und erst so zum Problem werden, weil sie in Siedlungsnähe nach Nahrung suchen.

Noch zu früh

Auch David Gerke, Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz, geht davon aus, dass auf dem Video ein Wolf zu sehen ist. Er betont, ein einzelnes Tier, das bei Nacht durchs Siedlungsgebiet laufe, müsse kein Anlass zur Sorge sein. «Ein Problem entstünde allenfalls, wenn der Wolf sich auch am Tag von menschlichen Aktivitäten nicht abschrecken liesse», so Gerke. Auf dem Video macht das Tier aber einen sehr scheuen Eindruck.

Der Wolfexperte präzisiert, noch sei es zu früh, um einzuschätzen, ob es sich hier um ein Jungtier eines zerschossenen Rudels handelt oder nicht. «Es liegen ja auch noch nicht alle Genanalysen der getöteten Tiere vor. Eine Beurteilung müssen wir im Sommer vornehmen.» Dann werde man sehen, ob es dort, wo Rudel getötet wurden, weniger Rissschäden gibt oder nicht.

Im Parlament hat sich FDP-Nationalrat Matthias Jauslin (61) als Kritiker von Röstis Wolfsaktion einen Namen gemacht. Auch er weiss natürlich nicht, um was für einen Wolf es sich in Altstätten handelt. Für ihn ist aber klar, dass die Gefahr besteht, dass Tiere, die ihrem Rudel entrissen wurden, zu «Problemwölfen» mutierten, die auf Suche nach Nahrung auch vor Wohngebiete nicht mehr zurückschreckten.

«Rechtlich fragwürdig»

«So oder so müssen wir festhalten: Die Wolfsaktion von Bundesrat Albert Rösti hat nichts gebracht, ausser dass bei der Bevölkerung das Feindbild Wolf weiter befeuert wurde», sagt Jauslin. Für ihn ist aber klar: «Wenn ein Einzelwolf tatsächlich Probleme bereitet, soll er eliminiert werden können.» Wölfe lebten in Familienverbänden, in denen es eine klare Sozialstruktur gibt. «Präventiv ganze Rudel zur Jagd freizugeben, ist keine Lösung. Damit wird das Problem verschärft, und das Vorgehen ist rechtlich fragwürdig.»

Und Gerke ergänzt: «Ich rechne nicht mit einem Erfolg von Albert Röstis Abschussaktion. Konflikte löst man mit Herdenschutz und nicht durch Abschüsse.» Dessen ungeachtet werde man diesen Herbst noch einmal eine grosse Wolfsjagd sehen. «Erst fürs kommende Jahr, also 2025, können wir hoffen, dass wir auf dem ordentlichen Rechtsweg wieder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Wolf zurückkehren.»

Abschüsse sollen weitergehen

Gegenüber Blick bestätigt der Bund, dass es Ende Jahr erneut zu einer grossen Wolfsjagd kommt: «Von September 2024 bis Ende Januar 2025 haben die Kantone wiederum die Möglichkeit, den Wolfsbestand präventiv zu regulieren», schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Dies geschehe auf der Basis der Jagdverordnung, die der Bundesrat am 1. November 2023 befristet bis Ende Januar 2025 in Kraft gesetzt hat.

Laut Bafu waren es gar mindestens 58 Wölfe, die wegen Albert Rösti ihr Leben lassen mussten: «Während der ersten präventiven Regulierung des Wolfsbestands haben die Kantone insgesamt 38 Wölfe geschossen. Dazu kommen gut 20 Wölfe, die aufgrund reaktiver Verfügungen erlegt wurden», teilt sein Amt mit.

Zu Beginn der präventiven Regulierung habe es in der Schweiz noch über 30 Wolfsrudel und mehr als 300 Wölfe gegeben. «Heute sind es immer noch rund 30 Rudel und rund 250 Wölfe, behauptet das Bafu. Auch es räumt aber ein, dass sich die Wirkung der Abschüsse erst im nächsten Alpsommer beurteilen lassen. «Klar ist, dass die Wolfsbestandsregulierung zur Daueraufgabe wird», hält das Amt fest. Geht es nach ihm, heisst es also weiterhin «Feuer frei!»


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