Emir İşman (25) ist einer, der fehlt. Händeringend suchen kleine und grosse IT-Firmen nach Informatikern. İşman studiert an der ETH in Zürich Informatik. Ob er nach dem Studium aber auch in der Schweiz arbeiten darf, ist unklar – obwohl er möchte. Denn İşman kommt aus der Türkei, 2017 ist er hierher gekommen. Länder wie die Türkei, Indien oder Brasilien gelten in Gegensatz zu EU-Ländern als Drittstaaten.
«Mit der aktuellen Regelung ist es für die Firmen mühsam, Personen aus Drittstaaten einzustellen – selbst, wenn sie in der Schweiz studiert haben und in der betreffenden Branche Fachkräftemangel herrscht», sagt İşman. Er beklagt die aufwendigen Verfahren, die es für eine Arbeitsbewilligung braucht. «Viele Start-Ups und KMU haben dafür nicht die nötigen Kapazitäten.»
Es ist bizarr: Die Schweiz zahlt an die Ausbildung von jungen Leuten, arbeiten sollen sie dann aber im Ausland. Obwohl sie auch in der Schweiz dringend gebraucht werden. «Damit verschwendet die Schweiz Ressourcen und verliert Talente», sagt İşman.
Schon seit einigen Jahren will FDP-Nationalrat Marcel Dobler (43) diese Praxis ändern. «Das verschärft den Fachkräftemangel und ist unsinnig: Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten dürfen.»
Die Lösung: Wer in der Schweiz einen Masterabschluss, ein Doktorat oder sonst einen Abschluss auf höchster Bildungsstufe in einem Bereich mit Fachkräftemangel erhält, soll bleiben und arbeiten können. Auch wenn er oder sie aus einem Drittstaat kommt und ohne, dass die sonst üblichen Kontingente belastet werden. Im Nationalrat kam der Vorschlag durch, doch der Ständerat bremst.
Verfassungsbruch?
Die zuständige Kommission, die das Geschäft vorbereitet hat, sieht einen Verfassungsbruch. Denn die Masseneinwanderungsinitiative - die 2014 angenommen wurde - verlangt explizit, dass die Zuwanderung durch Kontingente und Höchstzahlen geregelt wird. Die kleine Klammer berät am Montag über das Geschäft.
Dass die bürokratischen Hürden für Studienabgänger aus Drittstaaten hoch sind, sieht auch FDP-Ständerat Andrea Caroni (43). «Aber dieser Vorschlag ist der falsche Weg.» Selbst der Bundesrat habe in seiner Botschaft festgestellt, dass der Vorschlag verfassungswidrig sei. «Dazu kommt, dass die Kontingente in den letzten Jahren nie ausgeschöpft wurden. Die Kontingent-Regel ist also nicht das Problem.»
Caroni plädiert dafür, alternative Wege zu prüfen, um die Hürden für Betriebe und Betroffene zu senken. «Ein möglicher Vorschlag ist, dass Studenten schon während der Ausbildung die Bewilligungen für die Zeit danach einholen können.»
Für İşman kommt die Lösung zu spät
Auch FDP-Nationalrat Dobler will seinen Vorstoss retten. Sein Vorschlag: Die Studenten und Doktorandinnen sollen weiterhin den Kontingenten unterstellt werden. Doch das Prozedere für die Anstellung wird vereinfacht. «So ist der Vorschlag verfassungskonform, und auch die selbsternannten Hüter der Verfassung dürften zufrieden sein», mutmasst Dobler.
Doch dass dieser Vorschlag eine Mehrheit holt, ist fraglich. Der SVP-Präsident und Tessiner Ständerat Marco Chiesa (48) zeigt sich auch dieser Lösung gegenüber kritisch. «Ich finde es ungerecht, zwei Verfahren innerhalb derselben Gruppen zu schaffen», sagt er. Auch Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen (57) gibt sie sich zurückhaltend. «Das Problem betrifft nur wenige Personen. Diese können über das normale System abgewickelt werden.»
Egal wie der Ständerat am Montag entscheidet: Bis es zu einer Lösung kommt, ist es für İşman zu spät. Sein Masterstudium schliesst er voraussichtlich im nächsten Jahr ab. «Ich bin aber optimistisch, dass ich eine Arbeitsbewilligung erhalte – auch wenn es ein bürokratischer Hürdenlauf wird.» Und falls nicht? «Wenn ich nicht in der Schweiz bleiben kann, werde ich wohl im europäischen Ausland einen Job suchen.»