Schweizer Anbauer zittert um Einnahmen
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Werbeverbot für Tabak?Schweizer Anbauer zittert um Einnahmen

Tabakanbau in der Schweiz
Raucher finanzieren «Scheunen voller Gold»

Marc Binder ist einer von rund 150 Landwirten, die in der Schweiz Tabak anbauen. Das würde sich kaum lohnen, wenn die Raucher die Produktion nicht via Abgaben mitfinanzieren würden.
Publiziert: 24.01.2022 um 19:24 Uhr
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Die Saison ist vorbei, der Tabak getrocknet: Landwirt Marc Binder baut das Kraut auf seinem Hof an.
Foto: STEFAN BOHRER
Gianna Blum

«Ist das Wetter recht und schön und dem Tabak hold, haben wir im späten Herbst Scheunen voller Gold»: Bei der Tabakgenossenschaft Swisstabac wird es auch mal poetisch, wie das auf der Website veröffentlichte «Tabakslied» zeigt.

Von Gold ist in Marc Binders (48) Scheune im Januar aber kaum etwas zu sehen, obwohl sie viel Raum bietet. «Die Saison ist vorbei», sagt der Bauer. Der Tabak, den Binder auf seinem Hof in Illnau ZH anbaut, ist längst getrocknet und wartet auf den Abtransport nach Payerne VD, wo er weiterverarbeitet wird.

Teilweise sind die langen, ovalen Blätter schon verpackt, teilweise noch an den Stangen aufgefädelt, an denen sie zum Trocknen aufgehängt wurden. Nach Tabak riecht der Tabak nicht. «Das muss so sein, er soll neutral riechen», erklärt Binder. Denn im Schweizer Klima gedeihen die aromatischeren Sorten nicht. Schweizer Tabak wird vor allem als sogenannter Fülltabak verwendet, der für die Zigarette oder den Stumpen mit anderen Sorten gemischt wird.

Raucher finanzieren die Rauchware

Mit der Abstimmung über die Tabak-Initiative am 13. Februar liegt der Fokus einmal mehr auf den Glimmstängeln. Die Initiative will praktisch sämtliche Werbung für Zigaretten und andere Tabakprodukte verbieten. Obwohl drei Viertel der in der Schweiz produzierten Zigaretten exportiert werden, wäre auch Binder von einem Rückgang des Verkaufs betroffen. Denn der Preis, den die Einkaufsgenossenschaft Inlandtabak (Sota) Tabakbauern wie Binder zahlt, alimentiert sich vor allem aus Abgaben auf Zigaretten.

Von freier Marktwirtschaft ist der Anbau weit entfernt: Die Sota kauft den Bauern jeweils zu festgelegten Preisen die gesamte Ernte ab und verkauft sie an die Tabakmultis, die alle ihren Sitz oder zumindest einen wichtigen Produktionsstandort in der Schweiz haben. Während die Sota je nach Qualität bis zu 17.20 Franken pro Kilo zahlt, erhält sie von den Zigarettenproduzenten nur einen Bruchteil dieses Preises. Ohne diese Finanzierung durch die Raucherinnen und Raucher würde sich der Tabakanbau in der Schweiz nicht lohnen.

Schweiz exportiert fast so viel Tabak wie Käse

Die Schweiz ist für die Tabakindustrie ein wichtiger Standort. Alle grossen internationalen Konzerne – Philip Morris, British American Tobacco und Japan Tobacco International – haben hier Hauptsitze für Forschung, Administration und Produktion. Die Tabaklobby ist einflussreich, während die Schweizer Gesetzgebung vergleichsweise lasch ist.

Offizielle Zahlen darüber, wie viel Geld der Tabaksektor zur Schweizer Wertschöpfung beiträgt, gibt es nicht. Eine Studie der Wirtschaftsprüfer KPMG kam 2017 auf eine Schätzung von 2,1 Milliarden Franken für Anbau, Herstellung und Vertrieb. Die Schweizer Nachfrage könnte aber sehr gut ohne Schweizer Tabak befriedigt werden: Der Selbstversorgungsgrad beträgt weniger als fünf Prozent.

Dementsprechend wenig bleibt im Land. Drei Viertel der hierzulande produzierten Zigaretten von rund 25 Milliarden Stück pro Jahr gehen ins Ausland. Jährlich führt die Schweiz damit Tabakprodukte im Wert von etwas mehr als einer halben Milliarde Franken aus. Das ist fast gleich so viel wie der Export von Käse.

Gesundheitskosten in Milliardenhöhe

Hierzulande bestehen mehr als 60 Prozent des Zigarettenpreises aus Abgaben und Steuern. Der weitaus grösste Posten davon ist die Tabaksteuer, 2020 flossen aus ihr 2,1 Milliarden Franken an die AHV. Jeweils über 13 Millionen Franken Abgaben pro Jahr gehen ausserdem an zwei völlig gegensätzliche Fonds: Mit dem einem wird der Tabakanbau im Inland mitfinanziert (Sota), der andere widmet sich der Tabakprävention.

Wirtschaftlich einen gewaltigen Einfluss haben natürlich auch die gesundheitlichen Folgen des Konsums. Medizinische Behandlungen und Erwerbsausfälle verursachen jährliche Kosten von 3,9 Milliarden Franken. Und laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) sterben im Schnitt 26 Menschen pro Tag an den Folgen des Rauchens – 9500 pro Jahr.

Die Schweiz ist für die Tabakindustrie ein wichtiger Standort. Alle grossen internationalen Konzerne – Philip Morris, British American Tobacco und Japan Tobacco International – haben hier Hauptsitze für Forschung, Administration und Produktion. Die Tabaklobby ist einflussreich, während die Schweizer Gesetzgebung vergleichsweise lasch ist.

Offizielle Zahlen darüber, wie viel Geld der Tabaksektor zur Schweizer Wertschöpfung beiträgt, gibt es nicht. Eine Studie der Wirtschaftsprüfer KPMG kam 2017 auf eine Schätzung von 2,1 Milliarden Franken für Anbau, Herstellung und Vertrieb. Die Schweizer Nachfrage könnte aber sehr gut ohne Schweizer Tabak befriedigt werden: Der Selbstversorgungsgrad beträgt weniger als fünf Prozent.

Dementsprechend wenig bleibt im Land. Drei Viertel der hierzulande produzierten Zigaretten von rund 25 Milliarden Stück pro Jahr gehen ins Ausland. Jährlich führt die Schweiz damit Tabakprodukte im Wert von etwas mehr als einer halben Milliarde Franken aus. Das ist fast gleich so viel wie der Export von Käse.

Gesundheitskosten in Milliardenhöhe

Hierzulande bestehen mehr als 60 Prozent des Zigarettenpreises aus Abgaben und Steuern. Der weitaus grösste Posten davon ist die Tabaksteuer, 2020 flossen aus ihr 2,1 Milliarden Franken an die AHV. Jeweils über 13 Millionen Franken Abgaben pro Jahr gehen ausserdem an zwei völlig gegensätzliche Fonds: Mit dem einem wird der Tabakanbau im Inland mitfinanziert (Sota), der andere widmet sich der Tabakprävention.

Wirtschaftlich einen gewaltigen Einfluss haben natürlich auch die gesundheitlichen Folgen des Konsums. Medizinische Behandlungen und Erwerbsausfälle verursachen jährliche Kosten von 3,9 Milliarden Franken. Und laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) sterben im Schnitt 26 Menschen pro Tag an den Folgen des Rauchens – 9500 pro Jahr.

Viel Geld, aber auch viel Arbeit

Für Bauer Binder ist der Tabakanbau ein wichtiges Standbein, obwohl er flächenmässig nur 1,3 seiner 37 Hektaren dafür nutzt. Bei sehr guter Qualität zahle ihm die Sota zwischen 30'000 und 40'000 Franken pro Jahr. Ein goldener Preis? Binder zuckt mit den Schultern. «Als Ergänzung lohnt es sich», sagt er.

Reich werde er damit nicht, betont Binder. Der Grund ist vor allem, dass der Anbau sehr aufwendig ist: Den Einnahmen stehen etwa 1200 Arbeitsstunden gegenüber. Während die Kühe in Binders Stall per Maschine gemolken werden, muss beim Tabak fast alles von Hand erledigt werden: die Ernte, das Sortieren, das Auffädeln fürs Trocknen.

Pocht auf Eigenverantwortung

Die Diskussionen um die Initiative kann der zweifache Familienvater nicht wirklich nachvollziehen. «Wer sich fürs Rauchen entscheidet, muss auch die Konsequenzen in Kauf nehmen», findet er. «Mich irritiert es auch, wenn ich am Bahnhof Teenager sehe, die an der Zigarette ziehen.» Doch das weitgehende Werbeverbot gehe ihm zu weit. Schliesslich hätten auch Eltern eine Verantwortung.

Bei seinen eigenen Kindern sei Rauchen kein Thema, wohl auch weil sie bei der Hilfe beim Anbau sehr nah erleben, dass Tabak eben mehr Risiken birgt als ein Salatkopf. Es sind Schutzmassnahmen nötig: Bei Hautkontakt droht die «grüne Tabakkrankheit», im Grunde genommen eine Nikotinvergiftung.

«Vielleicht mal bei einem Bier»

Binder selbst hat nie geraucht. «Ausser vielleicht mal in der RS bei einem Bier», sagt er und schmunzelt. Doch er ist mit Tabak aufgewachsen. Seine Eltern hätten in den 1970er-Jahren vor allem aus wirtschaftlicher Notwendigkeit mit dem Tabakanbau angefangen. Von seinem Vater – alt SVP-Nationalrat Max Binder – hat Marc Binder mit dem Hof auch den Tabakanbau übernommen. Und der gehöre inzwischen dazu.

«Unser Modell funktioniert», findet Binder. Klar könnte er den Hektar Tabak sein lassen und ein paar Kühe mehr in den Stall stellen. Aber es ersetze das Tabak-Einkommen nicht. Und Letzterer erlaube schlicht mehr Flexibilität: «Dem Tabak ist es egal, ob ich am Sonntagmorgen Zeit für ihn habe – den Kühen nicht!»

E-Zigaretten sollen teurer werden

«Für eine rauchfreie Zukunft.» So lautet nicht etwa der Slogan einer Präventionskampagne, sondern jener des Tabakriesen Philip Morris. Weil Staaten das Rauchen immer stärker regulieren und die Umsätze schwinden, setzt die Tabakindustrie seit ein paar Jahren auf ein neues Geschäftsfeld: E-Zigaretten und Tabak-Erhitzer. Letztere verbrennen den Tabak nicht, sondern erhitzen ihn lediglich. Bei einer E-Zigi inhaliert man den Dampf einer Flüssigkeit, eines sogenannten Liquids. Diese enthält meistens Nikotin.

Langzeitstudien gibt es zwar noch nicht. Doch es wird davon ausgegangen, dass Tabak-Erhitzer und besonders E-Zigaretten weniger schädlich sind als herkömmliche Glimmstängel. Äusserst umstritten ist aber die Frage, ob die Zigi-Alternativen – wie von der Tabaklobby beworben – wirklich dabei helfen, vom Rauchen wegzukommen. Oder ob sie nicht im Gegenteil gerade Junge eher animieren, damit anzufangen.

Fest steht: E-Zigaretten und Erhitzer wurden in den vergangenen Jahren auch in der Schweiz immer populärer, auch wenn es keine konkreten Zahlen zum Schweizer E-Zigi-Markt gibt. Weltweit generierte Philip Morris 2020 mit rauchfreien Produkten bereits einen Viertel des Umsatzes. Die Schweiz als reiches Land mit laschen Tabakgesetzen gilt als optimaler Testmarkt für neue Produkte.

Im Gegensatz zu Tabak-Erhitzern gelten E-Zigaretten in der Schweiz aktuell nicht als Tabakprodukt. Dies wird sich mit dem neuen Tabakprodukte-Gesetz ändern, das bald in Kraft tritt. Neu will der Bundesrat ausserdem Tabaksteuern auch auf die Liquids von E-Zigaretten erheben. Kommt der Vorschlag der Regierung durch, würden die Liquids um etwa 50 Prozent teurer werden. Die Mehreinnahmen bei den Tabaksteuern kämen AHV und IV zugute. Lea Hartmann

Keystone

«Für eine rauchfreie Zukunft.» So lautet nicht etwa der Slogan einer Präventionskampagne, sondern jener des Tabakriesen Philip Morris. Weil Staaten das Rauchen immer stärker regulieren und die Umsätze schwinden, setzt die Tabakindustrie seit ein paar Jahren auf ein neues Geschäftsfeld: E-Zigaretten und Tabak-Erhitzer. Letztere verbrennen den Tabak nicht, sondern erhitzen ihn lediglich. Bei einer E-Zigi inhaliert man den Dampf einer Flüssigkeit, eines sogenannten Liquids. Diese enthält meistens Nikotin.

Langzeitstudien gibt es zwar noch nicht. Doch es wird davon ausgegangen, dass Tabak-Erhitzer und besonders E-Zigaretten weniger schädlich sind als herkömmliche Glimmstängel. Äusserst umstritten ist aber die Frage, ob die Zigi-Alternativen – wie von der Tabaklobby beworben – wirklich dabei helfen, vom Rauchen wegzukommen. Oder ob sie nicht im Gegenteil gerade Junge eher animieren, damit anzufangen.

Fest steht: E-Zigaretten und Erhitzer wurden in den vergangenen Jahren auch in der Schweiz immer populärer, auch wenn es keine konkreten Zahlen zum Schweizer E-Zigi-Markt gibt. Weltweit generierte Philip Morris 2020 mit rauchfreien Produkten bereits einen Viertel des Umsatzes. Die Schweiz als reiches Land mit laschen Tabakgesetzen gilt als optimaler Testmarkt für neue Produkte.

Im Gegensatz zu Tabak-Erhitzern gelten E-Zigaretten in der Schweiz aktuell nicht als Tabakprodukt. Dies wird sich mit dem neuen Tabakprodukte-Gesetz ändern, das bald in Kraft tritt. Neu will der Bundesrat ausserdem Tabaksteuern auch auf die Liquids von E-Zigaretten erheben. Kommt der Vorschlag der Regierung durch, würden die Liquids um etwa 50 Prozent teurer werden. Die Mehreinnahmen bei den Tabaksteuern kämen AHV und IV zugute. Lea Hartmann


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