Der Marschbefehl des Parlaments ist klar: Bis 2030 sollen die Armeeausgaben auf mindestens 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Von derzeit rund 5,5 Milliarden auf weit über 7 Milliarden Franken jährlich.
Doch der Bundesrat drückt auf die Bremse. Nach einem Gerangel zwischen Mitte-Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) und FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) um den Anstieg der Armeeausgaben soll das Ziel nun erst 2035 erreicht werden.
Zum Ärger von SVP-Ständerat Werner Salzmann (60, BE), welcher das 1-Prozent-Ziel mit einem Vorstoss aufgegleist hatte. Dieses will er nicht einfach so aufgeben. «Wir müssen zurück auf den ursprünglichen Wachstumspfad, sonst verliert die Armee ein Investitionsvolumen von 10 Milliarden Franken», sagt er. «Geld, welches dringend gebraucht wird, um die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes wieder herzustellen.»
Alternative Finanzierung gesucht
Der Präsident der sicherheitspolitischen Kommission legt deshalb einen weiteren Vorstoss nach. Der Bundesrat soll aufzeigen, wie das Armeebudget schneller aufgestockt werden kann – ohne dabei die Schuldenbremse zu verletzen.
Salzmann schlägt gleich selber verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten vor. So könnten die zusätzlichen Mittel als «ausserordentliche Ausgaben» verbucht werden und würden somit nicht unter die Schuldenbremse fallen. Oder es werden bestehende Reserven aufgelöst.
Ein Buebetrickli des SVP-Ständerats? «Sicher nicht, das Finanzhaushaltsgesetz sieht die entsprechenden Möglichkeiten vor», wehrt Salzmann ab. Die sicherheitspolitische Lage habe mit dem russischen Angriffskrieg eine völlig andere Richtung erhalten. «Während Jahrzehnten wurde die Armee kaputtgespart», moniert Salzmann. «Nun brauchen wir so rasch wie möglich weitere Mittel, damit wir in den kommenden Jahren veraltete Systeme ersetzen und die Munitionsreserve auf den kriegstauglichen Bestand erhöhen können.»
Verzögerung bei Beschaffungen
Die Schweiz gerate zunehmend ins Hintertreffen auf dem Rüstungsmarkt, warnt Salzmann. Die Länder, welche der Ukraine Rüstungsgüter geliefert haben, müssten nun ihre Lücken wieder auffüllen. «Machen wir jetzt bei den Beschaffungen nicht vorwärts, hinken wir jahrelang hinterher.»
Er nennt auch Beispiele, in welchen Bereichen die Modernisierung der Armee nur verzögert umgesetzt werden könnte. Als gefährdet erachtet Salzmann etwa die Erhöhung des notwendigen Munitionsvorrates sowie die Ablösung des Schützenpanzers M113 oder der Radschützenpanzer Piranha. Auch für den Werterhalt der Kampfpanzer Leopard II würde demnach Geld fehlen.
Weiter sieht Salzmann die Beschaffung eines neuen Artilleriesystems für indirekten Kampf auf 20 bis 50 Kilometer oder die Beschaffung von Boden-Boden-Lenkwaffen zur Panzerabwehr als gefährdet. Auch das Abwehrsystem gegen Bedrohungen aus dem Luftraum – wie etwa Marschflugkörper und Drohnen – in den unteren und mittleren Distanzen, welches zum Schutz militärischer und ziviler Infrastrukturen das Patriot-System ergänzen soll, sieht er in Gefahr.
Der SVP-Ständerat sieht den Bundesrat in der Pflicht, seinen Sparentscheid auf Kosten der Armee zu korrigieren. Und er kündigt an: «Ich werde in der Budgetberatung im Dezember ein entsprechend höheres Budget für 2024 beantragen.»
SP-Roth: «Militärisch keine ausserordentliche Situation»
Dieser Antrag wird aber nicht ohne Widerstand über die Bühne gehen. SP-Nationalrätin Franziska Roth (57, SO) lehnt den von Salzmann geforderten Wachstumskurs ab. «Militärisch gesehen haben wir in der Schweiz keine ausserordentliche Situation, weil wir uns militärisch nicht im Verteidigungsmodus befinden», sagt die Sicherheitspolitikerin.
Mehr zur Armee
Die meisten sicherheitspolitischen Risiken seien im zivilen Bereich angesiedelt und würden daher zivile Antworten erfordern. «Da müssen wir gerüstet sein», sagt Roth. «Ansetzen müssten wir auch bei der Einfrierung der Oligarchengelder und dem Aufsuchen der vielen russischen Spione in unserem Land, denn da kommen wir viel stärker unter Druck.» Statt in die hiesige Rüstung sollten die Gelder etwa in Entminungsprogramme und für die humanitäre Hilfe in der Ukraine fliessen.
Dass der Bundesrat auf die Bremse tritt, findet Roth daher richtig. «Eine derart starke Aufrüstung wie von Salzmann gefordert, braucht es auf keinen Fall.» Es gebe schlicht keine realistischen militärischen Bedrohungsszenarien, welche diese Erhöhung rechtfertigen würden. «Mit der hüftschussartigen Erhöhung auf 1 Prozent des BIP hat das Parlament überreagiert», macht sie klar. «Salzmanns Vorstoss ist eine Schlaumeierei, um der Rüstungsindustrie unter die Armee zu greifen. Da machen wir nicht mit.»