Andreas Glarner (60) tobt. Es ist Mittwochabend und der SVP-Nationalrat verlässt das Bundeshaus. Vor ihm, auf dem Bundesplatz, streiken die Frauen. Glarner drückt sich durch die Menge und will nach Hause. Doch dann stoppt er abrupt. Sein Blick ist auf einen pinken Aufkleber gefallen. Glarner traut seinen Augen nicht, ist entsetzt. Denn der Kleber zeigt, wie sein Kopf aus einer Mülltonne ragt. Daneben steht: «Wer greift durch und entsorgt Andi Glarner?»
«Das ist ein Aufruf zur Gewalt»
Der SVP Nationalrat greift zum Handy und veröffentlicht auf Twitter ein Foto des Aufklebers. Den Schuldigen glaubt er sogleich ausgemacht zu haben: Es muss die SP Schweiz gewesen sein. Auf Nachfrage sagt er: «Das ist ein Aufruf zur Gewalt. Einfach ungeheuerlich.» Noch am selben Abend sei er zum Ratspräsidium gegangen, um die SP zurechtzuweisen. Aber dort habe man ihm gesagt: «Was ausserhalb des Bundeshauses passiert, thematisiert man drinnen nicht.» Glarner sagt, er habe Verständnis dafür. Doch damit sei der Vorfall nicht vergessen: «Ich erwarte eine Entschuldigung der SP.»
Bloss gibt es da ein Problem. Der Aufkleber stammt nicht von der SP, sondern von deren Jungpartei, der Juso. Das bezeugt die Rose, die auf dem Kleber abgebildet ist. Und so bestätigt es auch Nicola Siegrist (26), Präsident der Juso Schweiz, auf Nachfrage. Der Aufkleber sei beim Bundesplatz an einem Juso-Stand aufgelegen. Die Jungpartei habe ihn bereits vor zwei Wochen produzieren lassen, nachdem Glarner eine Polemik über den Gender-Tag an einer Schule in Stäfa ZH entfacht hatte.
Glarner hatte einen Flyer der Schule veröffentlicht, in dem Eltern über einen Gender-Tag informiert wurden. Daraufhin schrieb Glarner auf Twitter: «Wer greift durch und entlässt die Schulleitung?» Der Juso-Kleber spielt darauf an.
«Ich bin keine Mimose»
Juso-Präsident Nicolas Siegrist denkt nicht daran, sich zu entschuldigen: «Andreas Glarner ist eine Gefahr für die Demokratie. Er spielt Leute gegeneinander aus und muss aus der Politik verschwinden, indem er zurücktritt oder abgewählt wird.» Siegrist gibt zu, dass die Formulierung bewusst zugespitzt ist. Doch er findet: «Andreas Glarner teilt andauernd aus und hetzt gegen Minderheiten.» Selbst aber er offenbar ein dünnes Fell.
Der SVP Politiker hält dagegen: «Ich kann problemlos einstecken. Mein ganzes Leben lang stecke ich ein. Ich bin auch keine Mimose. Aber damit ist eine rote Linie überschritten.»
Aus SP Kreisen möchte sich niemand dazu äussern: Glarner suche mit dem Geschrei einfach nach Aufmerksamkeit. Doch die habe er nicht verdient.