SVP-Leader Christoph Blocher (81) versichert
«Die Volksinitiative kommt!»

Für SVP-Leader Christoph Blocher (81) befindet sich die Schweiz im Krieg, seit sie die EU-Sanktionen gegen Russland mitträgt. Für ihn geht das in die falsche Richtung. Im Blick-Interview verwirft er eine enge Zusammenarbeit mit der Nato. Blocher geht deshalb vors Volk.
Publiziert: 09.04.2022 um 01:14 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2022 um 15:25 Uhr
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Die Landesregierung unter der Führung von Bundespräsident Ignazio Cassis hat sich für die Beteiligung an den EU-Sanktionen gegen Russland ausgesprochen.
Foto: Keystone
Interview: Pascal Tischhauser

Der Parteichef der Freisinnigen, Thierry Burkart (46), spricht sich in einem Gastbeitrag in der «Neuen Zürcher Zeitung» und einem Interview in den Tamedia-Zeitungen für eine engere Kooperation mit dem militärischen Verteidigungsbündnis Nato aus. Für ihn sollte die Schweiz bei den Nato-Programmen «Partnership Interoperability Initiative» und «Enhanced Opportunities Partner» mitmachen. Eine andere Haltung vertritt Christoph Blocher (81): Der SVP-Vordenker versichert, dass er eine Volksinitiative lanciert, um die umfassende Neutralität in der Verfassung festzuschreiben.

Blick: Herr Blocher, FDP-Präsident Thierry Burkart fordert eine enge Kooperation der Schweiz mit der Nato. Wie stehen Sie dazu?

Christoph Blocher: In einer Krise sollte man eine langfristig bewährte Strategie nicht über den Haufen werfen, nur weil dies gerade gut aussieht. Die Neutralität schützt die Schweiz seit 200 Jahren vor Krieg. Daran müssen wir festhalten. Wir dürfen uns nicht der Nato zuwenden: Sie ist im Gegensatz zur schweizerischen Armee eine Angriffsarmee.

Aber wir sollen ja nicht Mitglied der Nato werden, sondern bloss mit dieser zusammenarbeiten.

Damit haben wir schon schlechte Erfahrungen gemacht. Wir beteiligen uns an der Partnerschaft für den Frieden bei der Nato. Das hat dazu geführt, dass wir unsere Armee stark abgebaut haben. Leider konnte man unsere Beteiligung an dieser Partnerschaft nicht verhindern. Es gab ja keine Volksabstimmung.

«Wir müssen viel enger mit der Nato zusammenarbeiten»
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FDP-Präsident Thierry Burkart:«Wir müssen viel enger mit der Nato zusammenarbeiten»

Thierry Burkart argumentiert, dass Interkontinentalraketen die Schweiz angreifen können. Dies sei nur im Verbund zu verhindern. Hat er nicht recht?

Natürlich würde sich die Schweiz, wenn sie angegriffen worden ist, zusammen mit ihren Nachbarländern wehren, wenn diese ebenfalls angegriffen wurden. Israel macht als kleines Land jedoch vor, dass man sich durchaus allein gegen Raketen wehren kann. Und auch die Ukraine wehrt sich ja beachtlich gegen den Aggressor Russland.

Zusammen mit Ländern wie Deutschland oder Frankreich könnten wir uns aber effektiver wehren, wenn wir schon mit diesen Staaten trainiert hätten.

Theoretisch schon. Aber sind Sie sicher, dass uns Frankreich oder Deutschland tatsächlich zu Hilfe eilen würden? Man sollte sich hier keine Illusionen machen. Die haben wir uns auch im Zweiten Weltkrieg nicht gemacht. Wir wussten, dass wir überrannt würden bei einem Angriff der Nazis. Aber wir hätten uns ins Réduit zurückgezogen und maximalen Widerstand geleistet. Nazideutschland hätte mit erheblichen Verlusten rechnen müssen, hätte es die Schweiz angegriffen. Der Eintrittspreis in diesen glaubwürdig neutralen Staat wäre zu hoch gewesen.

Sind Sie und Ihre Partei eigentlich für den Kauf des F-35-Kampfjets?

Ja, das bin ich. Und von der SVP habe ich auch nichts anderes gehört. Wir brauchen einen Schutzschild für unsere Bevölkerung. Das ist ein hervorragender Jet. Ob jetzt ein anderer hier oder da noch etwas besser oder schlechter wäre, spielt doch keine Rolle. Jetzt ist es dringend, die Schweiz von oben zu schützen.

Aber der Jet ist doch gerade ein Flugzeug, das vor allem im Verbund mit Partnern Sinn macht.

Wenn jetzt auch Deutschland den F-35 hat und mit dem entsprechenden Flugsimulator trainiert, dann kann es Sinn machen, dass unsere Armee ebenfalls dort trainiert, statt einen eigenen Simulator zu kaufen.

Aber gemeinsame Manöver mit der Nato würden Sie nicht machen?

Herr Burkart spricht ja von Nato-Manövern im Ausland. Was heisst das? Wieso im Ausland? Wir müssen doch die Schweiz verteidigen!

Und wegschauen, wenn ein Land wie die Ukraine angegriffen wird? So wie Sie gegen Sanktionen sind.

Kunstsammler, Unternehmer und SVP-Vordenker

Der Unternehmer und frühere Bundesrat Christoph Blocher (81) macht heute öfter als Kunstsammler von sich reden. Der Zürcher, der die SVP zur grössten Partei des Landes gemacht hat, ist aber nach wie vor eine zentrale bürgerliche Stimme in der Schweizer Politik. Der einstige Nationalrat ist verheiratet und hat drei Töchter sowie einen Sohn.

Der Unternehmer und frühere Bundesrat Christoph Blocher (81) macht heute öfter als Kunstsammler von sich reden. Der Zürcher, der die SVP zur grössten Partei des Landes gemacht hat, ist aber nach wie vor eine zentrale bürgerliche Stimme in der Schweizer Politik. Der einstige Nationalrat ist verheiratet und hat drei Töchter sowie einen Sohn.

Nicht wegschauen, aber den Kopf nicht verlieren. Wirtschaftssanktionen sind ein Kriegsmittel. Seit wir uns an diesen beteiligen, sind wir im Krieg. Die Schweiz hat ihre dauernd bewaffnete umfassende Neutralität preisgegeben. Zudem nützt die Teilnahme an diesen Sanktionen nichts. Diese Brotsperre trifft die ärmsten Menschen in Russland, nicht Herrn Putin und seine Leute, die den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine verantworten. Der Bundesrat hat einen grossen Fehler gemacht. Die Schweiz darf sich nicht mit Sanktionen am Krieg beteiligen, sonst wird sie in den Krieg hineingezogen.

Das tun wir nicht. Wir stellen – wie andere Länder – nur klar, dass wir diesen Angriffskrieg verurteilen. Und dass mit Nachteilen rechnen muss, wer ein anderes Land überfällt.

Dieser Angriff auf den unabhängigen Staat ist zu verurteilen. Aber die ganze Welt hat das Vertrauen in die schweizerische Neutralität verloren! Da mögen einige Akademiker noch lange etwas anderes behaupten, und die Medien können das nachbeten, so oft sie wollen. Entscheidend ist, welche Wirkung unser Neutralitätsbruch weltweit hat.

Ihnen wäre also lieber, man zählt uns zu den Schurkenstaaten?

Nein! Wenn wir uns neutral verhalten, zählt man uns nicht zu den Schurkenstaaten. Wir dürfen uns nicht beteiligen, müssen aber Umgehungsgeschäfte verhindern, um neutral zu bleiben.

Diese Haltung kommt in der Schweiz aber schlecht an. Man hat das Gefühl, die SVP stelle sich auf die Seite der Russen.

Die Zeitungen – auch der Blick – wollen diesen Eindruck erzeugen. Aber es stimmt nicht. Niemand in der SVP heisst russische Kriegstaten gut. Sie sind schrecklich! Es wurden wehrlose Zivilisten grausam ermordet. Drangsaliert. Die USA müssten eigentlich in der Ukraine eingreifen. Aber Amerika macht das nicht, weil sonst ein Weltkrieg droht. Aber deswegen beteiligt man sich als neutraler Kleinstaat nicht an einem Krieg.

Weil das nicht geht, sind ja Sanktionen ergriffen worden.

Und was nützen diese Sanktionen? Ein Kriegsmittel, das die Leute aushungern soll, einem selbst aber kaum schadet? Die EU beschliesst zwar Sanktionen, aber jedes EU-Land schliesst jene Sanktionen aus, die ihm selbst schaden: Deutschland will weiterhin russisches Gas, Italien soll die Modeindustrie ausklammern und Belgien den Diamantenhandel. Wir wären besser neutral geblieben, und damit wir das künftig bleiben, gehört die dauernde Neutralität in die Verfassung!

Sie sprechen von Ihrer Volksinitiative. Kommt die jetzt?

Genau. Es ist zentral, dass wir die umfassende Neutralität in unserer Bundesverfassung verankern. Wir haben verschiedene Verfassungstexte. Möglich wäre ein Zusatz zu Artikel 185 der Bundesverfassung, der den Bundesrat schon heute verpflichtet, die Unabhängigkeit, die Sicherheit und Neutralität zu wahren. Neu müsste es zusätzlich heissen: Die schweizerische Neutralität ist dauernd, bewaffnet, umfassend, wie sie es immer war. Das ist das Minimum, das in die Verfassung muss.

Sie könnten sich also noch mehr vorstellen?

Es gibt Leute, die finden, man müsste eine Formulierung finden, die auch ausschliesst, dass die Schweiz in den Uno-Sicherheitsrat kommen kann. Man sollte die Initiative aber nicht überladen. Natürlich nützt die Initiative nichts mehr für den Ukraine-Krieg. Aber für kommende Kriege soll die Neutralität gesichert werden.

Glauben Sie wirklich, dass die Mehrheit der Bevölkerung für diese Änderung in der Verfassung stimmen wird?

Ja, denn die Neutralität ist unserer Bevölkerung wichtig.

Aber nur weil wir es in die Verfassung schreiben, sind wir nicht neutraler. Neutralität muss völkerrechtlich anerkannt werden. Wenn Pjöngjang morgen eine Verfassung vorlegt, in der steht, Nordkorea sei neutral, hat das noch keine Wirkung.

Ja, aber wir haben diese Tradition. Wir haben die internationale Anerkennung, dass wir umfassend neutral sind. Und genau dieses Ansehen hat der Bundesrat nun beschädigt. Mit der Volksinitiative möchten wir in der Verfassung sichern, was wir immer gehabt haben.

Und wann lancieren Sie die Initiative?

Wie gesagt, wir sind an der Finalisierung des Initiativtextes. Wir müssen nichts über den Zaun brechen. Wir treten jetzt an verschiedene Organisationen heran, ob sie sich beteiligen möchten. Die Nachfolgeorganisation der Auns wird sicher mitmachen, die SVP wohl auch. Dann machen wir einen Kampfplan und starten sie. Ich versichere Ihnen aber: Die Volksinitiative kommt!

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