Der Bundesrat möchte nichts unversucht lassen. Nun will er auch mit Anbietern über den Einsatz von Gas-Reservekraftwerken verhandeln. Das hat er in seiner Sitzung vom Mittwoch beschlossen. Das Umweltdepartement (Uvek) von SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) und das Wirtschaftsdepartement (WBF) von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (62) sollen die Verhandlungen führen.
Der Bundesrat versucht derzeit alles, um die Versorgungssicherheit zu verbessern. Denn im Winter droht der Schweiz eine Stromlücke. Verschärft wird die Situation durch den Ukraine-Krieg. Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (69) könnte Europa jederzeit den Gashahn zudrehen.
Die Gaskraftwerke sollen gemäss Mitteilung bereits im kommenden Spätwinter als Ergänzung zu den Wasserkraftreserven bereitstehen, um diese allfälligen Knappheiten zu bewältigen. Insgesamt geht es um eine Leistung von 300 Megawatt. Zum Vergleich: Diese Leistung entspricht rund 80 Prozent des abgeschalteten Atomkraftwerks Mühleberg.
In der Not auf Notstromaggregate setzen
Im Weiteren steht der Einsatz von Notstromaggregaten zur Diskussion. Etwa 300 solcher Aggregate gibt es gemäss Mitteilung in der Schweiz. Sie liefern rund 280 Megawatt, die von der Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid für Systemdienstleistungen eingesetzt werden.
Der Bund prüft nun, ob auch sie als Reservekraftwerke genutzt werden können. Dieses Thema sei jedoch komplex, schreibt der Bundesrat: Zum einen müssten die Eigentümer zustimmen, und zum anderen seien Fragen zur Logistik zu klären. Dabei geht es beispielsweise um Brennstoffbeschaffung und Vergütung.
Klimaziele werden torpediert
Das alles läuft eigentlich den Klimazielen entgegen. Für den Betrieb der Reservekraftwerke sowie der Notstromaggregate sollen die Grenzwerte der Luftreinhalteverordnung und allenfalls der Lärmschutzverordnung vorübergehend aufgehoben werden. Zudem soll die CO2-Verordnung geändert werden, damit die Reservekraftwerke dem System des Emissionshandels unterstellt sind.
Die Angst vor einem Energie-Debakel im Winter ist derart gross, dass Bundesrätin Sommaruga sogar eine hochumstrittene Massnahme vorschlägt. Ihr Departement «prüft für den äussersten Notfall jetzt auch den Einsatz von mit Öl betriebenen Kraftwerken».
Dabei läuft ein solches Kraftwerk Sommarugas Ziel einer schnellen Energiewende eigentlich diametral entgegen. Schliesslich sind Öl-Turbinen noch viel schmutziger als Gaskraftwerke, weil sie wesentlich mehr CO2 ausstossen. Andererseits könnte die Schweiz damit den drohenden Strommangel im Winter abwenden oder zumindest mildern. Denn Öl wird es im Winter voraussichtlich genug geben. (SDA/dba)