Die Zeit der Illusionen ist vorbei. Kreml-Herrscher Wladimir Putin (69) dreht nach Lust und Laune am Gashahn; Europa könnte schon bald auf dem Trockenen sitzen. Und das russische Gas lässt sich nicht über Nacht ersetzen. Darum führt kein Weg daran vorbei: Der Kontinent muss sparen.
Schon Anfang Juni preschte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (52) vor und lancierte eine riesige Kampagne zum Energiesparen. Diverse Verbände machen mit. «Wer Energie spart, hilft, dass Deutschland unabhängiger von russischen Importen wird und tut was fürs Klima», so Habeck.
Grosses Sparpotenzial
Das Potenzial ist gross: Kühlschränke, Duschköpfe, Klimaanlagen – kein Gerät, bei dem die Verbraucher nicht sparen könnten. Und das lässt die deutsche Regierung ihre Bürger auch wissen: Sie überzieht das Land mit Anzeigen, Veranstaltungen, Förderprogrammen und Energie-Beratungsangeboten. Sogar eine Telefon-Hotline wurde eingerichtet.
Und nun plant Habeck, einige der Ratschläge auch zu Pflichten umzuwandeln. So will der Wirtschaftsminister Heizungswartungen obligatorisch machen, das Licht in Gängen soll gelöscht, Homeoffice ausgeweitet und die Gasspeicher zu 75 Prozent gefüllt werden.
Doch auch europäische Länder, die weniger abhängig sind vom russischen Gas, werden jetzt von Brüssel zum Sparen aufgerufen. Der Gas-Notfallplan der EU-Kommission sieht eine freiwillige Reduktion des gesamteuropäischen Gasverbrauchs um 15 Prozent bis nächsten Frühling vor. Der Kontinent müsse auf einen vollständigen Stopp der russischen Gaslieferungen vorbereitet sein, begründet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63) den Aufruf zum Verzicht. Damit sind allerdings nicht alle Mitgliedsländer einverstanden. So finden die Portugiesen, die mit Gas viel Strom produzieren, die Vorgabe «unhaltbar».
«Es ist an der Zeit, solidarisch zu sein»
Nicht so die spanische Regierung, die Anfang Woche rigide Sparmassnahmen beschlossen hat: Öffentliche Gebäude, Büros, Kinos, Bahnhöfe und Flughäfen dürfen ihre Räume im Sommer höchstens auf 27 Grad abkühlen und im Winter auf maximal 19 Grad beheizen. Und in unbenutzten Büros und Schaufenstern gehen künftig ab 22 Uhr die Lichter aus. «Es ist an der Zeit, solidarisch zu sein», sagt Teresa Ribera (53), Spaniens Ministerin für ökologischen Wandel.
Die Schweiz kann die Sparbemühungen der EU nur begrüssen. Sie senken das Risiko, dass die auf Energieimporte angewiesenen Eidgenossen im Winter selber frieren.