Hohe Energiepreise, Prämienschock, Inflation. Den Menschen bleibt zunehmend weniger im Portemonnaie. Während der Kaufkraftverlust viele in Wallung bringt, bewahrt der Bundesrat ruhig Blut.
Anders das Parlament. Der Nationalrat will, dass AHV-Rentner im kommenden Jahr einen vollen Teuerungsausgleich erhalten. Zur Erklärung: Normalerweise werden die AHV-Renten alle zwei Jahre der Lohn- und Preisentwicklung angepasst. 2023 steht die nächste Anpassung an: Weil die Einkommen kaum gestiegen sind, die Teuerung hingegen stark, droht den Rentnerinnen und Rentnern ein Kaufkraft-Verlust.
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Das wollte eine Mitte-links-Allianz verhindern. Und setzte sich durch: Per 2023 soll nur die Teuerung berücksichtigt werden, nicht die Lohnentwicklung. Damit würde die Minimalrente um gut 30 bis 40 Franken steigen, statt nur um 20 Franken. In den Genuss der Erhöhung würden nicht nur die gut 2,5 Millionen AHV-Rentnerinnen kommen, sondern auch die Bezüger von IV-Renten und Ergänzungsleistungen.
Entlastung bei Prämien
Neben der Teuerung drückten besonders die Gesundheitskosten aufs Portemonnaie. Die Versicherer rechnen mit einem Prämienanstieg von bis zu 10 Prozent für nächstes Jahr. Ein happiger Schub, den auch hier eine Mitte-links-Allianz abfedern will. Der Bundesbeitrag an die Prämienverbilligung soll deshalb einmalig um 30 Prozent erhöht werden. Der Bundesbeitrag für 2023 würde damit auf rund 4 Milliarden Franken steigen. Damit könnten insbesondere tiefere und mittlere Einkommen stärker entlastet werden, wie eine Mehrheit des Nationalrats findet.
Alle anderen Vorstösse blieben chancenlos: die steuerliche Abzugsfähigkeit der Krankenkassen-Prämien von der direkten Bundessteuer, der Verzicht auf die Mineralölsteuer, die Abschaffung des Eigenmietwerts für Rentner oder eine temporäre «Energiezulage» für Haushalte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen.
SVP packt den Zweihänder aus
In der vorangehenden Debatte hatte sich rhetorisch vor allem die SVP hervorgetan. So bezeichnete deren Nationalrat Alfred Heer (60) die Linken als «Brandstifter», die die aktuellen Probleme durch ihre Politik der Ausgaben ja verursacht habe.
In die selbe Kerbe schlug auch SVP-Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher (53). Die Bundesfinanzen seien wegen Corona belastet – «und Sie beschliessen weiterhin lustig Milliardenhilfen für Spekulanten, Milliarden für erneuerbare Energien und den Ausstieg aus allen fossilen Energien», wetterte sie in Richtung Ratslinke. Dabei sei es die linke Politik gewesen, die all das verursacht habe. So habe es SP-Bundesrat Alain Berset (50) in zehn Jahren nicht geschafft, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken – weshalb nun die Prämien wieder steigen.
«Raubzug aufs Portemonnaie der Bürger»
In der Energiepolitik sei es genau das gleiche: Aufgegleist von Mitte-Bundesrätin Doris Leuthard (59) und weitergeführt von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) sei die Energiestrategie gescheitert: «Das zeigt: Ideologische Fantasien und arrogantes Festhalten an Fehlentscheiden sind wichtiger als das Wohlergehen des Volkes», schimpfte Martullo. «So ruinieren Sie dieses Land!»
Jetzt präsentierten sich die Verursacher dieser Krise als Freund und Helfer. «Denn Geld verteilen, das können Sie, liebe Linke. Der Raubzug auf das Portemonnaie der Bürger ist bei Ihnen Programm!»
Im Ständerat wird es knapp
Wie viel Geld am Schluss wirklich verteilt wird, muss sich noch zeigen. Die beiden Vorstösse zum Teuerungsausgleich bei der AHV-Renten und zu den Prämienverbilligungen müssen noch durch den Ständerat. Dort hat Mitte-links zwar eine Mehrheit, aber diese ist knapp.
Es könnte sein, dass Finanzminister Ueli Maurer (71) doch noch recht bekommt. Er sagte im Rat: «Wenn ich Ihnen so zuhöre, sage ich mal: Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus – und mit den grossen Ereignissen meine ich die nächsten Wahlen.» Da sei schon viel Parteipolitik zu hören gewesen.
Pfister redet dem Bundesrat ins Gewissen
Zuvor hatten sich Maurer und seine Kollegen eine Schelte von Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59) anhören müssen. Er warf der Regierung vor, der Teuerung und Energie-Krise einfach zuzuschauen. In der Corona-Pandemie habe der Bund Unternehmen und Bevölkerung geholfen, so Pfister: «Der Bundesrat hat gezeigt, dass er kann, wenn er will.»
Nun befinde man sich wieder in einer Krise. Es sei unverständlich, dass der Bundesrat sich jetzt weigere, Unternehmen und Bevölkerung zu helfen – abgesehen von Konzernen, spielte er auf den Axpo-Rettungsschirm an. «Tun sie etwas – dafür wurden sie gewählt. Oder sagen Sie den Menschen, warum Sie ihnen nicht helfen.»