Streit um Stahl Gerlafingen – Rettungsaktion für FDP-Caroni unverständlich
Solothurner Vorpreschen um Bundesgelder erfreut nicht alle

Solothurn setzt sich auf Bundesebene für Stahl Gerlafingen ein – zuletzt mit einem Rettungspaket. Dass der Kanton nicht zuerst eigene Massnahmen prüft, sorgt in bürgerlichen Kreisen für Unmut.
Publiziert: 12:33 Uhr
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Aktualisiert: vor 33 Minuten
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Parlamentarier wollen die Stahlindustrie retten.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Zwei Nationalräte wollen Schweizer Stahlindustrie retten, Umweltkommission nimmt Antrag knapp an
  • Solothurner Regierung lobbyiert für Stahl Gerlafingen beim Bund
  • Vor 30 Jahren musste der Kanton Solothurn dem Unternehmen bereits finanziell helfen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Zwei ungleiche Nationalräte wollen die Schweizer Stahlindustrie retten: Christian Imark (42, SVP) und Roger Nordmann (51, SP) schnürten zusammen ein Hilfspaket für Swiss Steel, Stahl Gerlafingen und die Alugiesserei Novelis. Wie Blick berichtete, nahm die Umwelt- und Energiekommission des Nationalrats den Antrag am Montag äusserst knapp und mit einigen Änderungen an.

Vom Plan der Umweltpolitiker – einem gestaffelten Rabatt bei der Benützung des Stromnetzes – sind bei weitem nicht alle erfreut. Bereits in der Kommission stellten sich FDP, SVP und GLP gegen den Vorschlag. Offen dagegen äussern will sich jedoch kaum jemand.

Wird nun ein italienischer Konzern subventioniert?

Besonders bei der Rettung des Stahlwerks im solothurnischen Gerlafingen macht sich Unmut breit: Denn dieses gehört der italienischen Beltrame-Gruppe. Ihr Präsident Antonio Beltrame beschwerte sich über die zu hohen Nutzungsgebühren des Schweizer Stromnetzes. Und über den Unwillen von Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65), das Werk als systemrelevant anzuerkennen. Selbst Geld in die Hand nehmen möchten Beltrame und seine milliardenschwere Unternehmensgruppe jedoch nicht.

Für FDP-Ständerat Andrea Caroni (44, AR) ist sowohl das Vorgehen von Beltrame als auch die parlamentarische Aufregung unverständlich: «Es ist primär die unternehmerische Verantwortung der italienischen Eigentümer, ihrem Betrieb die nötigen Mittel zu geben.» Falls diese jedoch den Glauben an ihr Werk verloren haben, sei es nun nicht Sache des Bundes, dieses zu subventionieren.

Solothurner Regierung lobbyiert beim Bund

Doch für den Kanton Solothurn scheint die Rettung von Stahl Gerlafingen eine Herzensangelegenheit: Nicht nur im nationalen Parlament machen sich Solothurner Politikerinnen und Politiker – wie etwa Imark – für das Werk stark. Auch die kantonale Volkswirtschaftsdirektorin Brigit Wyss (64) lobbyierte bereits bei Parmelin. Und auch das kantonale Parlament forderte mehrfach, dass die Regierung beim Bundesrat «mit Nachdruck» für den Erhalt des angeschlagenen Stahlwerks einsetze – etwa durch eine Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung oder Liquiditätshilfen.

Auf Anfrage von Blick bestätigt der Solothurner Regierungsrat, dass er beim Bundesrat weibelt: «Zusammen mit dem Bund prüft der Regierungsrat aktuell als Sofortmassnahme eine Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung über 18 Monate hinaus», teilt er mit. Das solle mithelfen, die Arbeitsplätze in Gerlafingen zu sichern.

Macht der Kanton also lieber beim Bund die hohle Hand, statt selbst anzusetzen? «Wenn die Solothurner Regierung sich für das Werk einsetzen will, weil sie es für ihre Region unerlässlich findet, so kann sie das tun», sagt Caroni. «Aber man soll dafür nicht alle anderen Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern in der Schweiz zur Kasse bitten.»

Kanton sieht eigene Massnahmen nicht als effektiv an

Bereits vor 30 Jahren musste der Kanton Solothurn dem Unternehmen finanziell unter die Arme greifen. Warum tut er dies nicht erneut? Ein Zustupf für das gebeutelte Unternehmen werde durchaus geprüft, teilt der Regierungsrat mit. Die gesetzlich mögliche Wirkung einer kantonalen Finanzspritze oder der temporären Senkung von Abgaben und Gebühren sei in der aktuellen Situation aber «eher bescheiden».

Dabei lässt die Solothurner Regierung jedoch auch durchscheinen, dass sie vom Vorpreschen «ihres» Nationalrates Christian Imark eher weniger hält: «Der Regierungsrat vertritt die Haltung, dass es bei den Massnahmen nicht in erster Linie um Subventionen und wirtschaftsverzerrende Massnahmen gehen darf.»

Stattdessen bringt sie einen Gegenvorschlag: nämlich die Befreiung vom Netzzuschlag für die Winterreserve. «Das Stahlwerk Gerlafingen kann bei einer drohenden Strommangellage innert kürzester Zeit vom Netz gehen und die Situation wesentlich entschärfen», schreibt der Regierungsrat.

Grosse Liste an möglichen Bundesmassnahmen

Ein solcher Verzicht sollte belohnt werden, findet der Solothurner Regierungsrat – auch weil der Bundesrat dies eigentlich versprochen habe: «Er hat eine solche Massnahme mit der Inkraftsetzung der Verordnung über die Errichtung einer Stromreserve für den Winter angekündigt, aber nie umgesetzt», prangert die Kantonsregierung an.

Damit flattert mittlerweile eine regelrechte Liste an Massnahmen durch Bundesbern. Bereits die Ständerätliche Wirtschaftskommission segnete vergangene Woche gleich drei Vorstösse ab, die den Bundesrat verpflichten sollen, die Stahlindustrie übergangsweise zu finanzieren sowie geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

In den nächsten Wochen wird sich abzeichnen, inwiefern sich der Bund tatsächlich für die Arbeiterinnen und Arbeiter in Gerlafingen einsetzen muss.

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