Wie lange darf ein Zürcher Regierungsrat in einer Kurzdebatte reden? Diese Frage sorgte am Montag im Zürcher Kantonsrat für einen Eklat zwischen dem parteilosen Sicherheitsdirektor Mario Fehr (63) und der grünen Kantonsratspräsidentin Esther Guyer (71).
Guyer war der Ansicht, dass bei der Kurzdebatte über die Dringlicherklärung eines Vorstosses zum Thema Betreuung von minderjährigen Asylsuchenden für den Regierungsrat eine beschränkte Redezeit von zwei Minuten gilt – genau so wie für die Kantonsratsmitglieder.
Fehr hingegen erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass er gar nicht zur Dringlichkeit des Vorstosses gesprochen, sondern eine allgemeine Erklärung zur Situation der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden im Kanton Zürich abgegeben habe. Dabei handle es sich um eine wichtige Angelegenheit.
Gab es ein Versöhnungsbier?
Da sich die beiden Hauptprotagonisten sichtlich übereinander nervten, stellt sich die Frage: Gab es mittlerweile ein Versöhnungsbier? Gab es sogar eine Entschuldigung?
Fehr will sich gegenüber Blick nicht weiter äussern und verweist auf seinen gestrigen Standpunkt.
«Ich werde das Ganze noch mit ihm besprechen, wir können uns sicher einigen», sagt Guyer auf Anfrage. «Ich erwarte keine Entschuldigung von ihm, aber er muss sich künftig an die Regeln halten.»
Zudem wird sich am Donnerstag die Geschäftsleitung des Kantonsrats mit den Fall beschäftigen, wie Guyer bestätigt. Im Paragrafen zur Kurzdebatte des Kantonsratsreglements ist nämlich nur die Redezeit für die Kantonsratsmitglieder explizit genannt.
«Es ist absolut unüblich, dass ein Regierungsrat bei einer Kurzdebatte spricht», erklärt Guyer. Wenn also entgegen der Gepflogenheiten ein Regierungsrat spreche, müsse er sich hier an die selben Vorgaben halten wie die Kantonsräte. «Allenfalls müssen wir das nun ausdrücklich im Reglement festhalten, das werden wir an der Geschäftsleitungssitzung besprechen.»
Ein «ausserordentliches Ereignis»?
Fehr hingegen sieht seine Haltung durch einen ganz anderen Passus bestätigt: «Der Regierungsrat kann zu ausserordentlichen Ereignissen eine Erklärung abgeben», lautet Paragraf 66 im Reglement.
Ob die Debatte über die Dringlichkeitserklärung eines Vorstosses (und nicht über den Vorstoss selbst) oder die Thematik der minderjährigen Asylsuchenden im Asyl-Jugendheim Lilienberg bereits als «ausserordentliches Ereignis» anzusehen sind, bleibt Ansichtssache. Wie so oft in der Juristerei gibt es auch hier viel Interpretationsspielraum.
Eines ist aber klar: Der Redezeit-Eklat gibt in Zürich weiterhin zu reden. Und auch zum Postulat selbst wird Fehr schon bald wieder ausführlich reden dürfen, wurde es vom Kantonsrat doch für dringlich erklärt.