Streit um Asylzentrum dauert schon zehn Jahre
Widerstandsnest Schwyz

Die Schwyzer wehren sich gegen ein Bundesasylzentrum in Arth. Es ist nicht das erste Mal: Die Zentralschweiz weigert sich seit Jahren, einen Standort zu finden. In keiner Region ist der Widerstand so tief verankert.
Publiziert: 19.04.2024 um 00:01 Uhr
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Auf dem Gebiet um den Campingplatz Buosingen in der Gemeinde Arth soll ein Bundesasylzentrum für rund 170 Personen entstehen.
Foto: keystone-sda.ch
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Sermîn FakiPolitikchefin

Jetzt greifen sie zu Trycheln und Kampfbegriffen: Bei einer Informationsveranstaltung zum geplanten Bundesasylzentrum in Arth SZ ging es am Mittwochabend hoch her. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) will auf dem Areal des ehemaligen Campingplatzes Buosingen ein Zentrum mit 170 Plätzen eröffnen. Darin sollen abgelehnte Asylbewerber unterkommen, die auf ihre Rückführung warten. 

Begrüsst wurde SEM-Chefin Christine Schraner-Burgener (60) dort nicht nur von einer Gruppe Trychlern, sondern auch mit einem Transparent, das anstelle des Asylzentrums «Remigration» forderte, also die Rückschaffung von Einwanderern. Weil der Kanton Schwyz und Gemeinderat für das Zentrum sind, wurden diese als «Höseler» beschimpft. «Wir wollen kein Bundesasylzentrum in Buosingen, in Arth, im Talkessel Schwyz und auch nicht im Kanton Schwyz», sagte ein Anwohner. Er erntete Applaus. 

Asylregion mit dem Tessin

«Und in der ganzen Zentralschweiz nicht», hätte er ergänzen können. Denn die Kantone Luzern, Zug, Ob- und Nidwalden sowie Schwyz sind die einzige Region im ganzen Land, die sich seit zehn Jahren weigert, einen Standort für ein Bundesasylzentrum zur Verfügung zu stellen.

Dazu muss man wissen: 2014 einigten sich Bund und Kantone einstimmig auf eine Neustrukturierung des Asylwesens. Die Schweiz wurde in sechs Asylregionen aufgeteilt, jede Region sollte mindestens zwei Zentren beherbergen. Wobei der Bund nicht nur deren Kosten übernimmt, sondern die Standortkantone und -gemeinden noch zusätzlich entschädigt.

Die Zentralschweiz bildet seitdem mit dem Tessin eine Asylregion. Das Tessin hat seinen Teil mit dem Zentrum Chiasso geleistet. Fehlt die Zentralschweiz. Insgesamt sollten im Herzen der Schweiz 400 Plätze geschaffen werden. Wo, war den Kantonen überlassen.

Widerstand mit prominenter Unterstützung

Doch die Zentralschweizer verweigerten sich einfach. Während andere Kantone schon 2014 Vorabklärungen für mögliche Zentren machten, hoffte man in der Innerschweiz lange, nicht in die Pflicht genommen zu werden. Heute sucht man immer noch nach einem Standort. 

Wird ein solcher gefunden, wehren sich die Betroffenen vor Ort mit Händen und Füssen – und prominenter Unterstützung. Der neue SVP-Chef Marcel Dettling (43) ist besonders aktiv dabei, ein Asylzentrum in seinem Kanton zu verhindern.

Dettling ist nicht allein: Sogar der Kanton zog vor Gericht gegen den Bund. Beim Standort Wintersried in Seewen SZ seien die Asylsuchenden nicht genügend vor dem Lärm der Bahnlinie nebenan geschützt, so das Argument.

Bund kam Zentralschweiz entgegen

Jahre gingen ins Land, nichts passierte. Noch im Sommer 2021 suchten die Zentralschweizer Kantone einen Standort – und schoben sich die heisse Kartoffel hin und her. Unterdessen sind die «Innerschweizer» Asylsuchenden im ehemaligen Truppenlager Glaubenberg im Kanton Obwalden untergebracht. Doch längerfristig taugt der Standort nicht – denn dort befindet sich eine der bedeutendsten Moorlandschaften des Landes, die einen Ausbau unmöglich macht. 

In der Hoffnung auf eine Lösung ist der Bund den Zentralschweizern sehr weit entgegengekommen. So hat er akzeptiert, dass es statt einem Zentrum mit 340 Plätzen auch zwei Standorte mit je 170 Plätzen sein können. Obwohl das deutlich höhere Kosten nach sich zieht. 

Frustrierte Keller-Sutter

Selbst Bundesrätin Karin Keller-Sutter (60), von 2019 bis 2022 Asylministerin und bekannt als «eiserne Lady», biss sich an der Zentralschweiz die Zähne aus. 2020 musste sie im Nationalrat frustriert zugeben: «Wir sind im Gespräch mit der Zentralschweiz, und uns liegt daran, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Es kann aber nicht sein, dass die Zentralschweiz als einzige Region die Abmachung von 2014 nicht einhält.»

Doch, es kann schon sein. Und es dürfte auch im Fall des Campings Buosingen kaum anders ausgehen. Die SVP demonstriert und sammelt auch Unterschriften für eine Petition gegen das Zentrum. Und zwei Schwyzer FDP-Kantonsräte haben ihre Regierung offiziell angefragt: «Kann die Bevölkerung ein Bundesasylzentrum verhindern und wenn ja, wie?»

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