«Spielsachen gibt es nur noch zu Weihnachten und Geburtstag»
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Die Teuerung tut weh:«Spielsachen gibt es nur noch zu Weihnachten und Geburtstag»

Stefan Meierhans blickt auf ein teures 2024
«Die Schweizer einzusperren, macht keinen Sinn!»

Mietpreissteigerung, Krankenkassen-Erhöhung, wachsende Energiepreise, höhere Portokosten, teurere Billette und anhaltend hohe Bankgebühren. Der Schweizer Preisüberwacher Stefan Meierhans wünscht sich, dass der Bundesrat mehr tut.
Publiziert: 11.01.2024 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2024 um 10:19 Uhr
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Preisüberwacher Stefan Meierhans bemängelt die Preisgestaltung bei den Staatsbetrieben.
Foto: keystone-sda.ch
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Blick: Herr Meierhans, alles wird teurer. Das wird ein schwarzes Jahr für den Preisüberwacher.
Stefan Meierhans:
Die Ausgangslage ist tatsächlich wenig erfreulich. Und für viele Menschen sehr herausfordernd! An allen Fronten. Noch nie seit 2012, im Nachgang zur Aufhebung des Frankenmindestkurses, gingen bei mir derart viele Beschwerden ein wie 2023. Die Beschwerdeflut zeigt uns wie ein Fiebermesser: Das ist nicht nur erhöhte Temperatur. Viele Leute sind krank vor Sorge, sich das tägliche Leben nicht mehr leisten zu können. Das beschäftigt mich sehr. 

Melden sich Firmen oder Privatleute? Und was für Beschwerden gehen ein?
Querbeet. Besonders viele Privatpersonen, aber auch KMU beschweren sich. Am Dienstag haben wir für das zurückliegende Jahr 2768 Beschwerden in vielen verschiedenen Bereichen gezählt. Ausser 2012 gingen nie mehr Klagen ein.

Wo drückt der Schuh?
Wo nicht? Aktuell sorgen beispielsweise bestimmte Posttarife für grossen Unmut.

Dabei fallen die höheren Portopreise kaum ins Gewicht, wenn ich zwei Briefe im Jahr und vor Weihnachten einmal ein Päckli verschicke.
Bei Ihnen vielleicht nicht, aber denken Sie an Kleinbetriebe. Wir konnten zwar die Portoerhöhung- und Preiserhöhungen der Post um über 70 Millionen Franken reduzieren – aber Kleinfirmen in ländlichen Regionen leiden stark darunter, dass sie für ihre Päckli keine individuellen Rabatte mehr erhalten. Die Metzgerei im Berggebiet, die nebenbei übers Internet Würste verkauft, kann nicht so einfach auf DPD oder DHL umsteigen. Bis vor kurzem hat die Post die Päckli bei ihnen teilweise gratis abgeholt und individuelle Vertragsrabatte gewährt. Damit ist Schluss. Hier leiden die Kleinbetriebe unter einem Konzern, der zu 100 Prozent dem Staat gehört.

Staatsbetriebe sind bei Ihnen immer wieder Thema, oder?
Ja, es gingen auch zahlreiche Klagen über die Billettpreise im ÖV ein, obwohl wir auch hier die Preiserhöhungen um 50 Millionen reduzieren konnten. Viele Berufspendler, aber auch Rentner, die zum Einkaufen fahren möchten, sind auf Busse und Bahnen angewiesen. Wenn ausgerechnet Staatsbetriebe für der Bevölkerung keine Vorbilder sind, muss das zu denken geben.

Es ist ja auch die staatliche Postfinance, die trotz gestiegener Zinsen auf hohen Bankgebühren besteht.
Die Postfinance ist im Bar-Zahlungsverkehr zwar marktbeherrschend, aber im normalen Privatkundengeschäft stehen uns ja glücklicherweise viele Alternativen zur Verfügung. Die ZKB, auch eine öffentliche Bank, verzichtet neu auf Gebühren, die Aargauer Kantonalbank schon länger. Das Problem ist aber, dass der Wechsel zu einer anderen Bank mit viel Aufwand und Kosten verbunden ist. Darum spielt der Wettbewerb nur eingeschränkt. Wir sollten uns hier ein Vorbild an Österreich nehmen, das per Gesetz einen unkomplizierten Bankwechsel sicherstellt – ähnlich, wie es bei den Mobiltelefonen schon heute bei uns gang und gäbe ist.

Mit der Übernahme der CS durch die UBS entsteht eine neue Monsterbank, die in gewissen Bereichen eine marktbeherrschende Stellung haben dürfte.
Wir warten ab, bis die Bankenaufsicht Finma definitiv die Fusion abgesegnet hat, aber ja: Zumindest marktmächtig dürfte die neue UBS in gewissen Märkten sein. Klar ist: Die Preisüberwachung wird die neue UBS genau beobachten. Sollte der Wettbewerb gerade im Firmenkundenbereich nicht richtig spielen, greifen wir ein. Gesetz und Verfassung verlangen das.

Mit höheren Preisen müssen die Konsumenten auch in den Läden rechnen, da Anfang Jahr der Mehrwertsteuersatz erhöht worden ist.
Dass der Normalsteuersatz von 7,7 auf 8,1 Prozent gestiegen ist, wird spürbar sein. Die gute Nachricht ist aber, dass der ohnehin schon reduzierte Satz auf Lebensmittel nur um 0,1 Prozent auf 2,6 Prozent gestiegen ist, und auch der Satz auf Beherbergungen nur so wenig erhöht wurde. Entscheidend wird für die Kundinnen und Kunden sein, ob die Geschäfte die Erhöhungen weitergeben und auch, wie sie runden.

Sie werden mir wohl gleich versprechen, dass der Preisüberwacher hier genau hinschauen wird. Oder?
Nein, wir haben schon hingeschaut – wir sind gleichsam vorbeugend tätig geworden. Vor Weihnachten haben wir uns bei den Betrieben gemeldet. Wir haben die Preise vor und nach den Festtagen verlangt. Für einen Gesamtüberblick ziehen wir auch Daten des Bundesamts für Statistik heran. Und wir haben einen Mehrwertsteuerrechner aufgeschaltet. Hier können Erhöhungen nachvollzogen und gemeldet werden. Ich bin überzeugt, dass all das schon eine präventive Wirkung hatte: Wenn man weiss, dass die Scheinwerfer auf einen gerichtet sind, dann hemmt das eine allfällige Selbstbedienungsmentalität. Selbstverständlich beobachten wir die Preisentwicklungen laufend weiter. Aber es gibt ja auch eine gute Nachricht.

Welche denn?
Die Industriezölle auf ausländische Non-Food-Produkte sind weggefallen. Damit müssten Fernseher, Fahrräder und Kleider günstiger werden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco, spricht von 800 Millionen Franken, die unsere Unternehmen sparen. Ich erwarte schon, dass die Konsumenten bei grösseren Anschaffungen profitieren.

Gibt es neu also wenig Grund, den Fernseher ennet der Grenze zu kaufen?
Na ja, bei Tech-Gütern war die Schweiz schon bislang nicht teurer als das europäische Umland – Wettbewerb sei Dank. Sehr oft ist das iPhone in der Schweiz zum Beispiel am günstigsten in ganz Europa. Es geht jedoch um Grundsätzliches: Wie Sie wissen, bin ich im St. Galler Rheintal aufgewachsen. Hier ist es ganz normal, zum Einkaufen auch einmal über die Grenze zu fahren. Wenn Sie sich die Autonummern auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums Rheinpark in St. Margrethen ansehen, finden Sie dort zahlreiche Fahrzeuge mit deutschen und österreichischen Kennzeichen. Der grenzüberschreitende Einkauf findet auf beiden Seiten des Rheins statt. Die Grenze von 300 Franken, bis zu der man mehrwertsteuerfrei einkaufen kann, zu senken, ist deshalb höchst bedauernswert und widerspricht dem Gedanken der freien Marktwirtschaft.

Das müsste Finanzministerin Karin Keller-Sutter als St. Gallerin eigentlich wissen.
Frau Bundesrätin Keller-Sutter hat hier nur den Willen des Parlaments umzusetzen. Sie macht das mit Augenmass. Aber ich muss schon sagen: Die Schweizer einsperren zu wollen, macht keinen Sinn! Es gibt nunmal Familien, die darauf angewiesen sind, den Wocheneinkauf möglichst günstig erledigen zu können.

Aber darunter leidet der Schweizer Detailhandel!
Die Gesamtwirtschaft leidet stärker, je mehr der freie Warenhandel unterdrückt wird. Das ist eine Binsenwahrheit. Schliesslich dürfen Sie nicht vergessen …

… was denn?
Auch die Krankenkassen-Prämien sind gestiegen, die Energie ist teurer geworden und die Mieten steigen und steigen. Da kann man den Leuten doch nicht noch die letzte einfache Sparmöglichkeit beschneiden.

Gegen diese Preissteigerungen können Sie nichts tun?
Wir sind gegen höhere Energiepreise vorgegangen. Das spüren die Mieter unter anderen bei den Nebenkosten. Bei den Gesundheitskosten können wir einige Erfolge verzeichnen, etwa bei den Laborpreisen, und den Medikamenten, im Umfang von einigen hundert Millionen Franken. Aber viele meiner Empfehlungen hat der Bundesrat bisher nicht umgesetzt. Ich hoffe, dass der Leidensdruck nun wahrgenommen wird und sich die Erkenntnis durchsetzt, dass nicht vorrangig die Spitäler und die Industrie, sondern mindestens ebenso die Patientinnen und Patienten geschützt werden müssen. Nicht zu vergessen: Vor allem die Mengenausweitung mit Übertherapie und Übermedikation ist, was unnötig kostet. Und schliesslich: Die Mietpreisexplosion – die ich gemäss geltendem Recht nur beobachten kann – dürfte in den nächsten Jahren eine der grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer bleiben. Hier ist die Politik gefordert.

Zum Schluss: Bislang tut der Bundesrat nichts zur Abfederung der Teuerung in so vielen Bereichen. Er verschränkt nicht nur bei den Mieten die Arme. Welche Noten geben Sie unserer Landesregierung im Kampf gegen den Kaufkraftverlust?
Es steht mir nicht zu, der Regierung Noten zu verteilen. 

Sie trauen sich das als Bundesangestellter nicht?
Das ist nicht mein Stil. Ich wünsche mir, dass sich unser Bundesrat stets vor Augen hält, vor welchen Herausforderungen die Bevölkerung steht. Ich erhoffe mir, dass der Bundesrat seine Macht nutzt, um die Kosten für die Leute zu senken. Oft bedarf es bloss einer kleinen Änderung in einer Verordnung, dank der die Haushalte im Land viel Geld sparen. Meine diesbezüglichen Empfehlungen liegen ihm vor.

Monsieur Prix

Stefan Meierhans (55) ist seit 16 Jahren Preisüberwacher. Der Jurist ist als «Monsieur Prix» dafür verantwortlich, überall dort die Preise zu kontrollieren, wo der freie Wettbewerb nicht spielt – etwa im öffentlichen Verkehr. Auch Post-Preise, Labortarife und Gebühren nimmt er unter die Lupe. Meierhans lebt mit Frau und zwei Töchtern in Bern.

Stefan Meierhans (55) ist seit 16 Jahren Preisüberwacher. Der Jurist ist als «Monsieur Prix» dafür verantwortlich, überall dort die Preise zu kontrollieren, wo der freie Wettbewerb nicht spielt – etwa im öffentlichen Verkehr. Auch Post-Preise, Labortarife und Gebühren nimmt er unter die Lupe. Meierhans lebt mit Frau und zwei Töchtern in Bern.

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