Der öffentliche Verkehr fährt rückwärts. Statt dass immer mehr Leute den Bus und die Bahn benutzen, nimmt der Anteil der ÖV-Nutzer ab. Das hat mit dem Preis des Angebots zu tun – er ist zu hoch.
Das jedenfalls ist die Meinung von Preisüberwacher Stefan Meierhans (55). Seine Crew hat nun die tatsächlichen ÖV-Betriebskosten und sämtliche gesetzlichen Regelungen analysiert – von den Verordnungen über Gesetze bis hin zur Verfassung.
Die Hälfte zahlt 100 Prozent
Das Analyseergebnis: Wären Postautos, Trams und Bahnen gesamthaft halb gefüllt, würden die ÖV-Nutzer mit ihren Tickets und Abos die gesamten Betriebskosten des ÖV in etwa selbst tragen. Diese Grössenordnung stimmt für den obersten Preisregulator Meierhans.
Die Bundesverfassung verlangt beim ÖV eine angemessene Preisgestaltung – genau definiert ist diese Angemessenheit bislang aber nirgends. Deshalb hat dies der Preisüberwacher nun selbst getan: «Wenn mit 50 Prozent ÖV-Auslastung 100 Prozent der Betriebskosten gedeckt sind, ist der Fahrpreis angemessen», legt er fest. Klingt simpel, doch damit stellt die Preisüberwachungsstelle die Weichen entscheidend!
Denn: Schaut man die Berechnungen des Preisüberwachers genau an, haben die ÖV-Passagiere schon 2021 und 2022, auf die sich die Zahlen beziehen, etwas zu viel bezahlt. Mit 50 Prozent Auslastung haben sie genau genommen nämlich 104 Prozent der Betriebskosten gedeckt. Nur weil der ÖV die Teuerung und die höheren Energiekosten zu schultern hat, genehmigte der Preisüberwacher den SBB und Co. für kommenden Dezember eine Preiserhöhung.
«Ende Gelände»
«Nun ist aber Ende Gelände. Für weitere Preissteigerungen im ÖV sehe ich auf weiter Flur keine plausiblen Gründe. Es müssten schon die Energiepreise oder andere nachvollziehbare Kosten explodieren, damit weitere Preisersteigerungen geprüft werden können», so Meierhans.
Das dürfte Vincent Ducrot (60) nicht passen. Der SBB-Chef setzt – anders als sein Vorgänger in dessen letzten Jahren – auf Preiserhöhungen. Das hat eine gewisse Logik: Ducrot war Generaldirektor der Freiburgischen Verkehrsbetriebe. Er ist im Denken der regionalen Verkehrsverbünde verhaftet, die grossteils auf höhere GA-Preise pochen, um in der Folge die Preise ihrer regionalen Abos erhöhen zu können.
Keine Freude
An der aktuellen Massnahme von Stefan Meierhans übt die ÖV-Branche denn auch harsche Kritik: «Es ist nicht die Aufgabe des Preisüberwachers, die Angemessenheit der Preise zu bestimmen», sagt ein ranghoher Vertreter der Branche zu Blick. Das müsse die Politik bestimmen, also das Parlament.
Nur: Im Parlament sitzen zahlreiche Vertreter der ÖV-Branche. Es muss sich weisen, wie sich National- und Ständerat zur ÖV-Kostenstruktur stellen. Bis dahin hat der Preisüberwacher mit seiner Definition der «Angemessenheit» die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Branche mit Plänen für weitere Preiserhöhungen aufs Abstellgleis rollt.