Neu soll innerorts «Generell 30» gelten, auch auf Hauptstrassen. Das möchte der Städteverband, wie die «NZZ am Sonntag» publik machte. Erstens verursache der Strassenlärm gesundheitliche Schäden, und zweitens verhindere er die Entwicklung im urbanen Raum: «Viele Projekte werden wegen Lärmeinsprachen blockiert», erklärt der freisinnige Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm (56).
Für den Präsidenten des Schweizerischen Städteverbands reicht es deshalb nicht mehr aus, sich auf ein Tempolimit zu beschränken, das nur in Wohn- und Aussenquartieren gilt: «Wenn wir den Lärm bekämpfen wollen, müssen wir das an der Quelle tun – und das sind zu einem grossen Teil die verkehrsorientierten Strassen», betont er. Dort sei der Verkehr bisher stärker gewichtet worden als das Wohnen und Arbeiten. «Das muss sich ändern», betont der Stapi.
Lärmeinsprachen verhindern Entwicklung
Martin Flügel (55), der Direktor des Verbands, dem sich von Aarau bis Zug 129 Städte und Gemeinden angeschlossen haben, ergänzt gegenüber Blick: «Wir können es kurz machen: Tempo 30 ist eine wirksame Massnahme gegen die Wohnungsnot.» Bislang hätten Lärmeinsprachen häufig die notwendige Stadtentwicklung verzögert oder gar verhindert. Verdichtetes Wohnen, die Sanierung oder der Neubau von Wohnhäusern würden erschwert.
Auch die freisinnige Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (64) hat vor wenigen Tagen in der «NZZ» darauf aufmerksam gemacht, dass Lärmschutzklagen die Wohnungsknappheit verschlimmern. Und tatsächlich besagt eine Studie des Bundes und Zürichs, dass eine Temporeduktion von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde den Schallpegel um drei Dezibel senkt – was gefühlt einer Halbierung des Verkehrslärms entspreche.
Ausnahmen sind möglich
Darüber hinaus stellt Flügel klar, es gehe ja nicht darum, überall verkehrsberuhigte Zonen mit versetzten Parkplätzen und generellem Rechtsvortritt einzuführen. «Sondern innerorts soll neu einfach generell Tempo 30 statt 50 gelten.»
Tempo 50 soll also nach den Plänen der Städte neu die Ausnahme sein. Dazu Flügel: «Auf einer Strasse, auf der der Verkehrslärm kein Thema ist und auch von der Verkehrssicherheit her nichts dagegen spricht, dass weiterhin mit 50 gefahren wird, soll das möglich bleiben.»
Und es geht den Städten und Gemeinden noch um etwas anders: Sie wollen bei den Tempolimits künftig eigenständig entscheiden und nicht ständig zum Kanton rennen müssen, wenn auf einem Strassenabschnitt die Maximalgeschwindigkeit gesenkt werden soll.
Lösungen für ÖV sind gefragt
Bedenken kamen bei Tempo 30 oft von Blaulichtorganisationen. Das Parlament hat aber bestimmt, dass Krankenwagen und die Polizei Tempolimits übertreten dürfen, wenn ein Notfall das notwendig macht.
Und auch der öffentliche Verkehr soll unter der Temporeduktion nicht leiden. Man sei im Gespräch, versichert der Städteverband. Flügel ist überzeugt, dass Städte und Gemeinden zusammen mit ÖV-Vertretern Lösungen finden, mit denen Busse und Trams trotz Tempo 30 ihre Fahrpläne einhalten können.
Nicht nur, dass es auf gewissen Strecken Ausnahmen geben kann. «Zudem ist eine Bevorzugung des ÖV bei Lichtsignalen vorstellbar», sagt Flügel.
Widerstand kommt aber von den Gewerblern. «Das ist ein KMU-feindlicher Vorschlag», findet Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (64). Und auch der TCS zeigt sich kritisch.
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