Auf einen Blick
- Fedpol-Chefin warnte vor Mafia-Verbindungen in Politik, blieb aber sehr vage
- GPK-Aufseher wollten mehr wissen, starteten eigene Abklärungen
- Was bleibt nach der Verwirrung rund um die Aussagen?
Mafia-Connections in der Schweizer Politik? Es waren Andeutungen mit Sprengkraft: Politiker speisen mit Paten! Das verbreitete im Frühling 2024 keine Geringere als Nicoletta della Valle (64), damals Direktorin des Bundesamts für Polizei (Fedpol).
In einem Interview mit CH Media erwähnte sie Politiker, «die sich mit Exponenten der organisierten Kriminalität zum Mittagessen treffen». Und der «NZZ» sagte della Valle gar: «Die organisierte Kriminalität sucht die Nähe zur Politik. Und diese merkt es wahrscheinlich gar nicht.»
Details nannte sie jedoch keine. Auch nach Nachfragen legten das Fedpol und seine Chefin nicht offen, ob gegen Politiker wegen mutmasslicher Mafia-Verbindungen ermittelt wird – geschweige denn, um wen oder was es konkret geht.
Sicherheitspolitiker kritisierten das. Blick stellte im vergangenen Frühling fest: «Bis heute weiss die Öffentlichkeit nicht, ob della Valle gegen Politiker wegen Verbindungen zur Mafia ermittelt.» Und für die «NZZ» blieb «völlig im Dunkeln, ob diese Episoden überhaupt Relevanz haben».
GPK-Aufseher schauten genauer hin
Hinter den Kulissen machte sich in Bern Nervosität breit. Auch bei den obersten Aufsehern des Parlaments. Unbemerkt von der Öffentlichkeit begann die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerats zu ermitteln.
«Es ist ja eine ungeheuerliche Vorstellung, dass Schweizer Politiker mit Mafiosi verkehren könnten», sagt eine mit den Vorgängen vertraute Person, die nicht namentlich zitiert werden will. Es gehe potenziell um die innere Sicherheit des Landes.
Gleichzeitig herrschte Ärger. «Warum macht die Fedpol-Chefin solche Andeutungen, wird dann aber kein bisschen konkreter?», fragt eine andere Person. «Welche Politiker speisen heimlich mit der Mafia? Parlamentarier oder Kommunalpolitiker? Kantonale Regierungsräte? Oder sind gar Amtsträger selbst in krumme Geschäfte verwickelt?»
Also nahmen die GPK-Aufseher die Fedpol-Spitze in die Mangel. Und siehe da: Vertraulich präsentierte das Fedpol der GPK tatsächlich Beispiele von Treffen zwischen Politikern und Mitgliedern krimineller Organisationen. Die Amtsträger, so hiess es, hätten die wahren Absichten hinter solchen Treffen nicht durchschaut.
Della Valle versicherte den Aufsehern, dass sie mit ihren Aussagen in erster Linie «für die Gefahren der Ausbreitung der organisierten Kriminalität in der Schweiz» sensibilisieren wollte. Das macht die GPK in ihrem neuen Jahresbericht publik.
Jetzt wird das Fedpol deutlicher
Fazit der Aufseher: Auch Politikerinnen und Politiker sollten «bei ihren Kontakten mit Unbekannten stets vorsichtig sein». Sensibilisierung sei da wichtig. Gleichzeitig deutet die GPK Kritik an: Bei der Kommunikation sei «darauf zu achten, dass kein falscher Eindruck erweckt wird».
Auch das bringt aber nicht wirklich viel Licht ins Dunkel. Wollte della Valle mit ihren Aussagen nur mächtig Staub aufwirbeln? Oder hätte sie besser konkret informieren sollen, wenn das Fedpol wegen mutmasslicher Verbindungen von Politikern zur Mafia ermittelt? Die GPK macht dazu keine weiteren Angaben.
Aus mehreren Quellen erfuhr Blick jedoch: Es gebe keine Anzeichen, dass Politiker selbst zur organisierten Kriminalität gehörten oder sie unterstützten. Wegen Infiltrationsversuchen habe sich die Fedpol-Spitze jedoch entschieden, Alarm zu schlagen.
Gegenüber Blick wird das Fedpol schliesslich erstmals deutlich: Man habe zwar Kontakte zwischen Politikern und «Personen mit möglichen oder indirekten Verbindungen zur organisierten Kriminalität» festgestellt, wie ein Sprecher erklärt. Aber: «Es wurde kein strafrechtlich relevantes Verhalten von Politikerinnen und Politikern nach Artikel 260ter StGB festgestellt, weshalb wir diese auch nicht öffentlich schildern.»
Artikel 260ter des Strafgesetzbuchs, auch «Mafia-Artikel» genannt, betrifft die Beteiligung an einer kriminellen Organisation.
Müssen Politiker besser allen misstrauen?
Sollten Politiker nun grundsätzlich allen misstrauen, die sie nicht näher kennen? «Insbesondere bei Kontakten mit neuen oder unbekannten Personen ist auf mögliche Warnsignale zu achten», so der Sprecher. Amtsträger sollten sich bewusst machen, wer das Gegenüber ist – und ob es ungewöhnliche, unerwartete Vorteile oder gar Gefälligkeiten gibt.
«Besonders in Fällen, in denen wirtschaftliche oder politische Unterstützung angefragt wird, sollte sorgfältig geprüft werden, wer dahinter steht», sagt der Sprecher. Das Amt empfiehlt: «Wachsamkeit und eine gesunde Skepsis helfen, unbeabsichtigte Kontakte mit der organisierten Kriminalität zu vermeiden.»
Nicoletta della Valle gab ihr Amt als Fedpol-Chefin im Januar ab. Die Juristin leitete die Behörde zehn Jahre lang. Zuletzt wurde aus der Belegschaft Kritik an ihrem Führungsstil laut. Ihre Nachfolgerin ist Eva Wildi-Cortés (49).