Sport-Verbände laufen Sturm
Amherd landet mit Frauenquote im Offside

Sportministerin Viola Amherd will Schweizer Sportorganisationen neue Ethik-Richtlinien verpassen. Teil des Massnahmenpakets ist eine Frauenquote für die Leitungen von Sportverbänden. Das kommt gar nicht gut an.
Publiziert: 13.07.2022 um 01:31 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2022 um 09:15 Uhr
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Sei es bei der Armee oder im Sport: Mitte-Bundesrätin Viola Amherd hat sich die Frauenförderung auf die Fahne geschrieben.
Foto: TOTO MARTI
Daniel Ballmer

Die «Bösen» sind empört. Mit Händen und Füssen wehrt sich der Schwingerverband gegen eine Frauenquote von 40 Prozent an seiner Spitze. Die Schweizer Turner befürchten, dass Vakanzen kaum mehr zu besetzen wären. Schon heute sei es enorm herausfordernd, motivierte und fähige Personen zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren, so Swiss Badminton. Eine Quote mache es noch schwieriger. Der American Football Verband fürchtet gar um die Existenz vieler Vereine.

Sportministerin Viola Amherd (60) hat sich die Frauenförderung auf die Fahne geschrieben. Doch mit ihren Plänen stösst sie auf breiten Widerstand: Wer im Schweizer Sport Frauen nicht fördert, soll künftig büssen. Ähnlich wie bei den bundesnahen Konzernen Post, SBB oder Ruag will die Mitte-Bundesrätin mit der neuen Sportförderungsverordnung die Verbände bis Ende 2024 dazu verpflichten, an ihren Spitzen einen Frauenanteil von 40 Prozent zu erreichen.

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Heisst konkret: Wer die Geschlechterquote nicht einhält, bekommt künftig weniger Bundesgelder. Noch ist allerdings nicht im Detail bekannt, wie viel weniger Subventionen tatsächlich fliessen sollen.

«Starre Vorgabe ist nicht zielführend»

Die Pläne stossen auch bei den Kantonen auf Skepsis. «Diese starre Vorgabe ist nicht zielführend», schreiben sie. Oft seien Sportarten stark Geschlechter geprägt. Bei mehr als der Hälfte aller Schweizer Sportvereine betrage der Anteil weiblicher Mitglieder weniger als 20 Prozent. Der Schwingerverband bestehe gar nur aus Männern. Beim Synchronschwimmen dagegen soll es genau umgekehrt sein.

Für viele Vereine hätte die Quotenvorgabe weitreichende Folgen. Genügend oder passendes Führungspersonal wäre kaum mehr aufzutreiben. Bei kleineren Vereinen würde es «zu einer nahezu unlösbaren Aufgabe führen», befürchten die Kantonsregierungen. «Der organisierte Sport als Grundgerüst der nationalen Sportförderung läuft Gefahr, substanziell geschwächt zu werden.»

Kommt hinzu: Mit der Verordnungsänderung seien durchaus Auswirkungen auf die Kantone zu erwarten – anders als der Bundesrat meint. So würden unter anderem in der Nachwuchsförderung Förderbeiträge der Kantone gekoppelt an Bundesbeiträge ausgerichtet. Deshalb stünden Kantone bei allfälligen Sanktionen durch den Bund «im Zugzwang».

Nicht mal die Mitte ist dafür

Umstritten ist das Massnahmenpaket auch bei den Parteien. SP und Grüne begrüssen die Quote zwar. Doch selbst sie weisen darauf hin, dass sie gerade für kleinere Vereine kaum umzusetzen sei. Daher solle sie auf nationale Organisationen beschränkt werden.

Sogar ihrer eigenen Mitte-Partei gehen Amherds Pläne zu weit. Zwar sei eine griffige Regulierung begrüssenswert, sie müsse aber auch verhältnismässig und möglichst gut umsetzbar sein. Die FDP dagegen lehnt Geschlechterquoten ganz ab: Sie würden der Vielfalt der Sportvereine nicht gerecht.

Auch die betroffenen Verbände sind wenig begeistert. Zwar unterstützt etwa der Schwimmverband Swiss Aquatics den Ansatz, mehr Frauen in Führungsfunktionen zu bringen. Eine fixe Quote aber sei wenig zielführend. «Unsere bisherigen Bemühungen haben leider wenig Erfolg gezeigt», sagt Generalsekretär Michael Schallhart. Für die in den letzten zwei Jahren frei gewordenen Positionen seien extra Frauen angesprochen worden. Doch: «Von zehn angefragten Frauen hat sich keine bereit erklärt, die Arbeit im Zentralvorstand ehrenamtlich zu machen.»

Der Schwingerverband lehnt eine fixe 40-Prozent-Quote strikt ab. Verbände und Vereine müssten sich weiter selbst organisieren können, findet Verbandsobmann Markus Lauener. Zudem wären von Kürzungen auch die Athletinnen betroffen, gibt Christoph Petermann vom Schweizer Schiesssportverband zu bedenken. «Ob dies im Sinne der Gleichstellung und der Sportförderung ist, sei offengelassen.»

«Nicht alle über einen Kamm scheren»

Anders der Schweizer Fussballverband SFV. Er unterstützt Amherds Ziele im Grundsatz. Aber: Einzel- und Teamsportarten, ehrenamtliche Kleinvereine oder professionelle Grossklubs und Verbände mit professionellen Geschäftsstellen und Dutzenden Angestellten dürften «nicht alle über einen Kamm geschoren werden», betont SFV-Präsident Dominique Blanc. Daher sei weiter auf Selbstregulierung zu setzen. «Quoten sind unbedingt zu vermeiden.»

Um einen gangbaren Weg zu finden, will Swiss Olympic einen Kompromiss erreichen. Der Sport-Dachverband schlägt individuelle Lösungen vor, die bei der zeitlichen Frist zur Umsetzung der Vorgaben sowie bei den detaillierten Bedingungen je nach Organisation unterscheiden.

«So kann sichergestellt werden, dass die ‹Branchenlösung Sport› umsetzbar und von allen Sportorganisationen mitgetragen wird», zeigt sich Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl (54) überzeugt. Das würde es etwa erlauben, zwischen professionell und ehrenamtlich geführten Organisationen zu unterscheiden – was von mehreren grossen Verbänden unterstützt wird.

Amherd hält an ihrem Ziel fest

«Gewisse Übergangsfristen werden wir sicher gewähren müssen», räumte auch Amherd kürzlich im SonntagsBlick-Interview ein. «Sonst würden zum Beispiel verdiente Verbandsmitarbeiter aus einem Vorstand geworfen, nur um das Ziel zu erreichen. Das wollen wir ja nicht.» Ganz so schnell aber will sie nicht einknicken. «Sportministerin Viola Amherd hält an ihrem Ziel fest, den Frauen-Anteil im Sport und insbesondere in der Führung der Sportverbände zu erhöhen», hält ihr Sprecher fest. Ob der Gesamtbundesrat da im Herbst mitmacht, wird sich zeigen.

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