Sportministerin Amherd zun Magglingen-Skandal
«Der Turnverband muss jetzt aufräumen»

Jahrelang haben Trainerinnen und Trainer in Magglingen BE Spitzenturnerinnen gedemütigt und gequält – und die Opfer schwiegen. «Es herrscht in gewissen Bereichen eine Kultur der Angst», kritisiert Sportministerin Viola Amherd. Nun müsse man grundlegend über die Bücher.
Publiziert: 16.11.2020 um 08:57 Uhr
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Die Missbrauch-Skandale treffen den Schweizer Sport hart.
Foto: Keystone

Der Missbrauchs-Skandal im Schweizerischen Turnverband (STV) erschüttert Sportministerin Viola Amherd (58). «Dass man Kinder in eine Situation bringt, in der sie nicht mal mehr den Mut oder die Kraft haben, sich an jemanden zu wenden – das stimmt mich traurig», sagt die CVP-Bundesrätin im Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Sie äussert sich darin erstmals ausführlich zu den Recherchen, die aufgezeigt haben, wie Turnerinnen im nationalen Leistungszentrum im Magglingen BE über Jahre psychisch und physisch misshandelt wurden. Die Berichte von Betroffenen zeigten klar auf: Die Qualen waren keine Einzelfälle, sondern hatten System. Seither gab es im Turnverband zahlreiche Rücktritte.

Man müsse grundlegend über die Bücher

Mädchen und junge Frauen seien erniedrigt und in ihrer Würde angegriffen worden, sagt Amherd. Das habe sie sehr beschäftigt. Es habe sie sehr erstaunt, dass die jungen Frauen sich erst dann getraut hätten, etwas zu sagen, als sie nicht mehr aktive Athletinnen gewesen seien. Das zeige: «Es herrscht in gewissen Bereichen eine Kultur der Angst.» Das sei nicht tolerierbar. «Da müssen wir grundlegend über die Bücher.»

Es gehe nicht an, macht Amherd klar, dass auf Kinder und junge Menschen in der Pubertät so unglaublich viel Druck ausgeübt werde, dass sie total verunsichert seien und kein Selbstvertrauen mehr hätten. Die Verantwortlichen in den Sportverbänden und in der Politik hätten zu lange weggesehen. Die jüngsten Rücktritte im Turnverband begrüsst die Bundesrätin explizit. Ein Neuanfang könne nicht mit Leuten bestritten werden, die für die Missstände verantwortlich seien.

«Der Turnverband muss jetzt aufräumen. Er muss einen Kulturwandel und eine neue Geisteshaltung entwickeln», sagt Amherd. Nicht Medaillen allein dürften Gradmesser für sportliche Leistungen sein, sondern auch die Ethik. Bei der Verteilung der Fördergelder müssten künftig ethische Vorgaben mitspielen. Sonst bestehe das Risiko, dass die Kultur und das Fehlverhalten andauerten.

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«Geld ist einzige Sprache, die einige verstehen»

Es gibt bereits eine Ethik-Charta zwischen Swiss Olympic und den verschiedenen Sportverbänden. Das reiche aber offensichtlich nicht, stellt Amherd fest. Die Politik müsse die Sportverbände enger begleiten und überprüfen, ob die Charta im Alltag auch angewendet werde.

Falls das nicht der Fall sei, müsse der Staat intervenieren und sanktionieren. Dazu fehlten momentan aber die Instrumente. Vorerst will Amherd dem Turnverband zwar keine Mittel entziehen, um nicht Tausende junge Turnerinnen und Turner zu bestrafen. Bei einem nächsten Fall seien die finanziellen Folgen aber naheliegend. «Es scheint, als sei Geld die einzige Sprache, die einige verstehen», sagt Amherd.

Die Bundesrätin hatte eine externe Untersuchung zum STV-Skandal angekündigt. Sie soll von unabhängigen Experten geführt werden. Zudem befürwortet sie die Schaffung einer unabhängigen Meldestelle, die auch Ständerätinnen und Ständeräte in einem Vorstoss fordern. (SDA/lha)

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