Was die jungen Frauen erzählten, liess niemanden kalt: Ende Oktober berichteten acht Kunstturnerinnen und rhythmische Gymnastinnen im «Magazin» des «Tages-Anzeigers», wie sie während ihrer Ausbildung im Nationalen Sportzentrum in Magglingen BE gelitten hatten. Wie sie von Trainern unter Druck gesetzt wurden, wie sie Essstörungen und Depressionen entwickelten. Wie Verantwortliche davon Kenntnis hatten – und nichts unternahmen.
Für einige Spitzensportlerinnen war Magglingen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und dazu, sich zu organisieren. Das Resultat ist das Projekt Helvetia rennt! – eine Bewegung von Profisportlerinnen, Trainerinnen und Funktionärinnen; getragen von Alliance F, dem Dachverband der Schweizer Frauenorganisationen. Zu den Unterstützerinnen gehören etwa Kunstturnerin Ariella Kaeslin (33) und Sportministerin Viola Amherd (58).
Frauen in allen Bereichen untervertreten
«Wir wollen nicht länger akzeptieren, dass Frauen im Spitzensport benachteiligt werden», erklärt die ehemalige Marathonläuferin Maja Neuenschwander (40) ihre Unterstützung fürs Projekt. Tatsächlich sind Frauen im gesamten Umfeld des Spitzensports – bei den Trainern, Funktionären, Sportmedizinern oder im Betreuungsstab – deutlich untervertreten.
«Unser Ziel ist, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern endlich auch im Sport ankommt», sagt die Spitzenathletin. Diese Forderung bezieht sich etwa auf die Geschäftsleitung von Swiss Olympic, dem Dachverband des Schweizer Sports, der aus sechs Männern besteht – und keiner einzigen Frau. Oder auf den Frauenanteil bei den Funktionärinnen, der an den letzten Olympischen Spielen gerade mal 17 Prozent betrug. Oder auf die Kleidungsvorschriften, gemäss welchen Frauen teils knappere Tenues tragen müssen als Männer.
Damit soll in Zukunft Schluss sein, so die Forderung von Helvetia rennt!. Wobei den Initiantinnen bewusst ist: Für diesen Marathon wird Helvetia einen langen Schnauf brauchen.