«Nur weil ich ein Mann bin – das ist diskriminierend»
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SP-Jositsch ist sauer:«Nur weil ich ein Mann bin – das ist diskriminierend»

Partei-Zoff um Sommaruga-Nachfolge
SP-Frauenticket laut Jositsch «diskriminierend»

Die SP-Spitze will nur Frauen ins Rennen um den Bundesratssitz von Simonetta Sommaruga schicken. Doch Ständerat Daniel Jositsch juckt das nicht. Er deutet eine wilde Kandidatur an – und bezeichnet die Strategie seiner Partei gar als diskriminierend.
Publiziert: 04.11.2022 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2022 um 21:06 Uhr
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Daniel Jositsch liebäugelt offenbar mit einer wilden Kandidatur für den SP-Bundesratssitz.
Foto: keystone-sda.ch

Daniel Jositsch (57) bringt sich in Stellung. Er liebäugelt mit dem frei werdenden Sitz von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62). Doch: Für deren Nachfolge will die Parteileitung auf ein reines Frauenticket sitzen.

Für die Parteileitung der Genossen kommt es nicht infrage, dass sie von zwei Männern im Bundesrat vertreten werden. Nicht einmal temporär.

An Sitzung der Fraktionsleitung gewehrt

Nicht alle sind über den Entscheid glücklich. Wie Jositsch gegenüber der «NZZ» durchblicken liess, hat er sich schon an der Sitzung der Partei- und Fraktionsleitung gegen den Entscheid gewehrt.

Gegenüber Radio SRF sagte er, er werde sich eine Kandidatur überlegen, wenn die Fraktion denn Männer zulasse. Doch auf Nachhaken der «NZZ» deutete er eine wilde Kandidatur an. Rein rechtlich sei das offizielle Ticket nur ein Vorschlag der Partei.

Die Bundesversammlung sei aber frei, wen sie in den Bundesrat wähle, so der Zürcher Rechtsprofessor. Entscheidender als Geschlecht und Kantonszugehörigkeit seien die Fähigkeiten und ob jemand in den Bundesrat passe.

«Diskriminierend»: Jositsch in der RTS-Sendung «Forum».
Foto: Screenshot Blick

Calmy-Rey einst durch Berset ersetzt

In der Sendung «Forum» des Westschweizer Radios «RTS» bezeichnete Jositsch das von seiner Partei vorgesehene Ticket mit zwei Frauen sogar als «diskriminierend». Dadurch werde eine Männer-Kandidatur verhindert. Nach der jahrhundertelangen Diskriminierung der Frauen, seien nun die Männer von dem Phänomen betroffen, fuhr er fort.

Die Partei müsse offen dafür sein, für eine kurze Zeit zwei Personen des gleichen Geschlechts in der Landesregierung zu haben, statt die Formel «eine Deutschschweizer Frau und ein Mann aus der Westschweiz» zu zementieren. Zudem sei Micheline Calmy-Rey einst durch Alain Berset ersetzt worden.

Ein starker Kandidat

An sich hätte Jositsch gute Chancen, Bundesrat zu werden. Die nötigen Fähigkeiten spricht dem SP-Ständerat niemand ab. Zudem gehört er dem sozialliberalen Flügel der SP an, was ihm bei den Bürgerlichen im Parlament Stimmen bringen dürfte.

Aber auch der linke Flügel seiner Partei dürfte ihm wohlgesonnen sein. In den letzten Jahren hat Jositsch immer wieder mit für ihn überraschenden Positionen von sich reden gemacht, zuletzt bei der Massentierhaltungs-Initiative und der Frontex-Abstimmung.

SVP untersagt Unterstützung

Eine wilden Kandidatur Jositschs könnte aber, trotz seiner Beliebtheit bei Bürgerlichen, an der SVP scheitern. Denn seit der Abwahl Christoph Blochers (82) hat die SVP selbst wilden Kandidaturen den Kampf angesagt. Wer gewählt wird, der nicht auf dem offiziellen Ticket stand, fliegt automatisch aus der Partei.

Deshalb wird die SVP eine wilde Kandidatur Jositschs kaum offiziell unterstützen können, wie SVP-Ständerat Alex Kuprecht (64) gegenüber dem «Tages-Anzeiger» zu bedenken gibt.

Wilde Wahlen – Zerreissproben für die SP

Für die SP sind wild gewählte Bundesräte auch schon zur Zerreissprobe geworden. Otto Stich (1927–2012) wurde 1983 von der Bundesversammlung gewählt, obwohl auf dem offiziellen Ticket eine Frau, Lilian Uchtenhagen (1928–2016), stand.

Stich war bereits der dritte Bundesrat der Genossen, der gegen den Willen der Partei gewählt wurde. Die SP diskutierte daraufhin, ob sie sich gar ganz aus der Regierung zurückziehen sollte. Am Ende bliebe sie Teil der Exekutive, aber 40 Prozent der Mitglieder stimmten für den Rückzug aus dem Bundesrat.

10 Jahre später wiederholte sich die Geschichte, als statt Christiane Brunner (75) Francis Matthey (80) gewählt wurde. Dieser verzichtete jedoch auf Druck der SP auf das Amt. Ruth Dreifuss (82) wurde infolgedessen als Kompromiss zur Bundesrätin gewählt. (tom)

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