Eigentlich wollte die Genfer Virologin Isabella Eckerle (43) ihren X-Account nicht mehr nutzen. Doch nach gut zweimonatiger Pause kehrt sie nun mit einer Warnung zurück. «Wäre ich ein Medium mit einer guten Reichweite, würde ich jetzt informieren, wie man sich schützen kann», schreibt sie. Und liefert die Rezepte gleich hinterher: «Lufthygiene, erkrankt zu Hause bleiben oder Maske tragen, respiratorische Hygiene, Hände waschen, FFP2 für Risikopersonen und/oder Menschenmengen jetzt meiden, Impfung...»
Ihr Comeback auf X hat seinen Grund: die aktuelle Infektionswelle bei Atemwegserkrankungen, die von Covid-19-Fällen angeführt wird. Sie verweist dabei auf die jüngsten Daten des Nationalen Zentrum für Influenza in Genf zu respiratorischen Viren.
In der vergangenen Woche waren von 71 Proben von akut symptomatischen Personen aus der ganzen Schweiz 47 positiv für ein Virus. 36 davon waren Covid-19. «Wer jetzt krank ist, der hat höchstwahrscheinlich Covid-19», erklärt Eckerle dazu.
Risiko bleibe
Und sie macht auch deutlich, dass sie im Gegensatz zu Impfchef Christoph Berger (61) der Viruszirkulation nichts Positives abgewinnen vermag. Dieser befand in der «NZZ am Sonntag», mit der jetzigen Welle werde die Grundimmunität aufgefrischt und so das Risiko schwerer Infektionen bei jüngeren, gesunden Menschen verringert.
Eckerle hält dagegen: Auch wenn die meisten Infektionen sich als typischer respiratorischer Infekt äussern würden, sei die akute Infektion weiterhin ein Risiko für Ältere, Vorerkrankte, Schwangere, Neugeborene und es gebe Komplikationen. «Nichts daran ist gesund, willkommen oder gesellschaftlich von Vorteil!», so die Virologin. Dass man die jetzige Infektionswelle gut finden können, sei ihr «schleierhaft».
Sie verweist auch auf das Risiko, dass auf eine solche Vireninfektion gehäuft bakteriellen Superinfektionen auftreten würden, für welche eine Antibiotika-Therapie nötig sei. Das Problem dabei: «Wir haben zurzeit Lieferschwierigkeiten einer Reihe von Antibiotika.» Auch Long Covid bleibe ein Restrisiko. Und die aktuelle Corona-Welle werde wahrscheinlich bald um eine Influenza-Welle ergänzt.
Eckerle sieht auch auf die Spitäler Probleme zukommen. So fehle nicht nur krankheitsbedingt Personal. Vielmehr würden zusätzliche Infektpatienten das System nicht nur stärker belasten, sondern allenfalls auch andere Patienten anstecken. «Viele Patienten, selbst mit Vorerkrankungen, wären ohne Covid wahrscheinlich nicht in der Klinik», betont Eckerle. Dazu passen auch die neusten Zahlen des Covid-Dashboards des Bundes: So viele Covid-Hospitalisierte wie jetzt gab es seit der Omikron-Welle im März 2022 nicht mehr, berichtet der «Tagesanzeiger».
Auch volkswirtschaftlicher Schaden
«Infektionswellen kosten uns alle richtig Geld und Nerven», wirft Eckerle zum Schluss ein. Durch vermehrte Arbeitsausfälle entstehe nämlich volkswirtschaftlicher Schaden. «Wenn man die gesundheitlichen Gründe also nicht für ausreichend erachtet, sollte doch wenigstens das zählen.»