Jetzt kommt die Lex Corona! Der Bundesrat zieht die Lehren aus der Corona-Pandemie und passt das Epidemiengesetz entsprechend an. Sein Ziel: Künftige Gesundheitskrisen sollen besser gemeistert werden.
Das 2016 in Kraft gesetzte Epidemiengesetz habe sich während der Corona-Pandemie zwar als «wirksames Instrument» erwiesen, sagte Gesundheitsminister Alain Berset (51) am Mittwoch an einer Pressekonferenz in Bern. Trotzdem seien «gewisse punktuelle Anpassungen» nötig, um Gesetzeslücken zu schliessen. Und was während der Covid-19-Krise funktioniert habe, soll gestärkt werden.
Die Kantone sollen grundsätzlich für den Vollzug von Massnahmen zuständig sein. Der Bund soll aber zusätzliche Kompetenzen bei Überwachung und epidemiologischen Abklärungen erhalten. Auch bei den landesweiten Massnahmen wie Prävention und Impfung soll der Bund mehr zu sagen haben.
Eskalationsmodell wird angepasst
Schon heute sieht das Epidemiengesetz ein dreistufiges Eskalationsmodell vor – von der normalen Lage über die besondere bis hin zur ausserordentlichen Lage. Je nach Stufe haben Bund und Kantone andere Kompetenzen, diese werden konkretisiert. Weiter sollen die Kriterien für die Beurteilung einer gesundheitlichen Gefahrenlage präzisiert werden.
Auch die Übergänge zwischen normaler, besonderer und ausserordentlicher Lage werden genauer geregelt. Dabei werden Kantone und Parlament besser in die Entscheide eingebunden. Vor einem Lagenwechsel von der normalen in die besondere Lage sollen zuvor Kantone und parlamentarische Kommissionen angehört werden.
Zudem gibt es eine Art Vorstufe: Bei einer Gefährdung sollen sich Bund und Kantone auf den Eintritt einer besonderen Vorlage wappnen müssen – etwa, indem sie die Krisenorganisation vorbereiten oder Ressourcen für ein allfälliges Contact Tracing oder für Impfungen aufbauen. Klar geregelt wird auch, dass der Bund in der besonderen Lage Massnahmen sowohl schweizweit als auch nur für besonders betroffene Regionen anordnen kann.
Kommt es zu einer ausserordentlichen Lage, kann der Bundesrat aber wie bisher per «Notrecht» weitergehende Massnahmen anordnen. Auf fixe Schwellenwerte verzichtet der Bundesrat aber, da diese «je nach Pandemie variieren können».
Bezüglich Finanzhilfen für Unternehmen bei wirtschaftlichen Folgen von Bekämpfungsmassnahmen schickt der Bundesrat zwei Varianten in die Vernehmlassung. Bei Variante 1 verzichtet er auf eine Regelung im Epidemiengesetz. Variante 2 sieht vor, dass der Bundesrat die Möglichkeit haben soll, Finanzhilfen in Form von rückzahlbaren Liquiditätshilfen unter bestimmten Voraussetzungen gewähren zu können.
Besser vorbereitet sein
Ebenfalls explizit und erwähnt werden etwa Massnahmen bezüglich Homeoffice, Maskenpflicht, Zertifikate oder Schutzkonzepte im Epidemiengesetz. Die Möglichkeit für ein Impfobligatorium will der Bundesrat indes nicht ausweiten.
Die neue Regelung beinhaltet auch die Verstärkung, Digitalisierung und bessere Vernetzung der Systeme und Methoden zur Überwachung übertragbarer Krankheiten. Dazu gehören beispielsweise das nationale Meldesystem, das Abwassermonitoring und die Durchführung der Gensequenzierung.
«Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig diese Systeme sind, um die Entwicklung der Lage erfassen und rechtzeitig angemessene Massnahmen einleiten zu können», sagt Berset.
Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen
Verstärken will der Bundesrat auch die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und nosokomialen Infektionen. Das neue Epidemiengesetz sieht daher die Einführung neuer Massnahmen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und zur Prävention von healthcare-assoziierten Infektionen vor. Das Gesetz geht nun bis am 22. März 2024 in die Vernehmlassung.
Für die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) bietet die Revision des Epidemiengesetzes die Gelegenheit, die Erkenntnisse aus der Covid-19-Bewältigung aufzunehmen, wie sie auf Anfrage mitteilt. Es sei daher wichtig, dass die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen in der «besonderen Lage» geschärft würden. Für ein effizientes Meldewesen und Monitoring müssten zudem die Digitalisierung und das Datenmanagement im Gesundheitswesen vorangetrieben und verbindlich geregelt werden.
Die Pressekonferenz zu Ende
Der Gesundheitsminister beendet nach der ausgiebigen Fragerunde die Pressekonferenz.
Prognosen schwierig
Es sei schwierig zu sagen, was mit dem neuen Gesetz anders laufen werde, als etwa im Herbst 2020. «Als wir damals mit dieser sich rasch verstärkten Entwicklung konfrontiert waren, haben wir gesehen, dass die Kantone sehr unterschiedlich reagiert haben. Und es gab eine gewisse Resistenz, einige haben einfach erwartet, dass der Bundesrat weiter alles entscheidet und umsetzt.» Aber: Das Gegenteil habe man anstreben wollen. «Nämlich, dass nach dem ersten Schock und der klaren Vorleistung des Bundes in der ausserordentlichen Lage die Kantone wieder mehr Verantwortung übernehmen.» Berset vergleicht das mit der spanischen Grippe: Hundert Jahre danach habe man einfach alles wieder vergessen. Das drohe auch im Fall von Covid-19.
Berset sagt, die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen müssten besser geregelt werden. «Problematisch während der Pandemie war nicht der Wechsel von einer Phase in die andere, sondern die Umsetzung der Kompetenzen während der entsprechenden Phase.» Es sei stark davon abhängig, wie die Kantone reagieren, welche politischen Meinungen es in den Kantonsregierungen gebe. Berset bleibt darum realistisch: «Es ist klar: Man kann nicht alles erwarten von einem Gesetz.»
«Lässt sich nicht alles im Detail regeln»
«Man kann mit einem Gesetz nicht alles im Detail regeln», sagt Berset auf die Frage, wie man künftig Flickenteppiche in den Kantone verhindern wolle. Aber das Gesetz solle helfen, dass Vorbereitung besser und ruhiger angegangen werden können. «Wir müssen immer im Hinterkopf behalten: Es kann auch ganz anders kommen als während Corona.»
Covid-Zertifikat nicht ausgeschlossen
Auch das Covid-Zertifikat dürfte künftig ein Mittel im Kampf gegen Pandemien bleiben, wie Berset auf eine entsprechende Frage ausführt. Zertifikate würden sicher eine Möglichkeit bleiben, um diese etwa für das Reisen einsetzen zu können. Hier müsse man bei entsprechenden Ausgangslagen schnell reagieren können.
Taskforce-Regelung
Auf die Frage, ob eine künftige Taskforce durch das Gesetz geregelt werde, antwortet Lévy: «Das ist eine Frage, die auf Stufe Bund bei der Vorbereitung auf Krisen geregelt ist.» Aber: Auch künftig werde der Bundesrat wissenschaftliche Taskforces brauchen.
Kostenübernahme auch für Spitalleistungen?
Gilt die Kostenübernahme des Bundes auch für Spitalleistungen?
Anne Lévy sagt auf die Frage, ob die Kostenübernahme des Bundes auch für Spitalleistungen gelte: «Es geht darum, die Zuständigkeiten besser zu klären. Die Kantone bleiben zuständig für die Gesundheitsversorgung.» Aspekte, die jetzt noch im Covid-Gesetz geregelt seien, etwa dass Spitäler Kapazitäten bereitstellen müssten, sollen jetzt ins Epidemiengesetz übernommen werden.
Weitere verschiedene Massnahmen
Ausserdem sollen in der Teilrevision bestimmte Massnahmen bezüglich Homeoffice, Maskenpflicht, Zertifikate und Schutzkonzepte präzisiert werden, sagt Berset. Auch will der Bundesrat Systeme und Methoden zur Überwachung stärken, vernetzen und digitalisieren.
Die Vernehmlassung für die Teilrevision laufe nun, so Berset weiter. Damit schliesst er seine Ausführungen ab. Die Fragerunde ist eröffnet.
Finanzhilfen für Unternehmen
Der Bundesrat habe in seiner Sitzung heute auch zwei Varianten für künftige Finanzhilfen besprochen: Einerseits könnten künftig spezielle Gesetze erlassen werden, sobald solche nötig würden.
Andererseits könnte der Bundesrat die Möglichkeit haben, Finanzhilfen bereits ins Epidemiengesetz zu schreiben wenn bestimmte Voraussetzungen dafür erfüllt seien.
Zusätzliche Kompetenzen für den Bund
Berset spricht über das Eskalationsmodell. Der Bundesrat wolle die Punkte und Bestimmungen präzisieren, die zur Beurteilung der Lage herangezogen werden können. Zusätzlich will er Kantone und Parlament besser einbinden.
Die Kantone sollen grundsätzlich für den Vollzug von Massnahmen zuständig sein. Der Bund solle aber zusätzliche Kompetenzen bei Überwachung und epidemiologischen Abklärungen erhalten, erklärt Berset. Auch bei den landesweiten Massnahmen wie Prävention und Impfung solle der Bund mehr zu sagen haben.
«Verstärken, was funktioniert hat»
Die Teilrevision des seit 2016 geltenden Epidemiengesetzes sei im Hinblick auf Pandemien und bedeutende Gesundheitsbedrohungen notwendig, sagt Berset. Etwa wolle der Bundesrat das Eskalationsmodell mit normaler, besonderer und ausserordentlicher Lage anpassen.
Deshalb schlage der Bundesrat nach Anhörung zahlreicher Akteure (Kantone, parlamentarische Kommissionen, Unternehmen, Institutionen und Verbände) sowie aufgrund mehrerer parlamentarischer Evaluationen und Vorstösse eine Teilrevision des Epidemiegesetzes vor. Und zwar um zu verstärken, was während der Covid-19-Krise funktioniert habe, so Berset.