Auf einen Blick
- Schweiz schiebt kriminelle Afghanen nach Taliban-Übernahme ab
- SVP begrüsst die Rückführungen, während Amnesty International sie ablehnt
- 13 verurteilte afghanische Straftäter sollen aus der Schweiz ausgeschafft werden
- Flüchtlingshilfe warnt vor pauschaler Kriminalisierung von Afghanen
- Rückführung könnte Beginn einer strengeren Asylpraxis sein
Die Schweiz schafft wieder nach Afghanistan aus. Wie Blick berichtete, wurden zwei schwerkriminelle Afghanen kürzlich per Linienflug aus dem Land geschafft – das erste Mal seit der Machtübernahme der Taliban. Die Schweiz ist nach Deutschland erst das zweite Land in Europa, das eine solche Rückführung durchgeführt hat.
Laut Blick-Infos halten sich weitere 13 verurteilte Straftäter aus Afghanistan in der Schweiz auf. Auch sie sollen «so schnell wie möglich» ausgeschafft werden, teilt Vincenzo Mascioli (54), Vizedirektor des Staatssekretariats für Migration (SEM), mit.
SVP-Asylchef erfreut und überrascht
Die «Operation Kabul» von Asylminister Beat Jans (60) löst bei Hilfswerken und Politikerinnen eher zurückhaltende Reaktionen aus. Am erfreulichsten wird das Vorhaben bei der SVP aufgenommen: «Es ist höchste Zeit, dass kriminelle Afghanen ausgeschafft werden», sagt ihr Asyl-Chef und Nationalrat Pascal Schmid (48). Es müssten aber alle ausländischen Verbrecher ausgeschafft werden, genauso wie abgewiesene Asylbewerber.
Etwas überrascht zeigt sich Schmid dennoch: Noch Mitte September fragte er mittels Vorstoss beim SEM nach, ob die Schweiz bald Deutschland folgen möchte. Das SEM antwortete, dass die Entwicklung der Situation in Afghanistan verfolgt werde. Massnahmen zur Rückführung würden eingeleitet, sobald es die operationellen Rahmenbedingungen erlaubten. «Damals tönte es eher danach, als wäre nächstens nichts geplant», sagt Schmid. Doch jetzt zeigt sich: Bereits damals bereitete das SEM erste Operationen vor.
Flüchtlingshilfe mahnt vor Pauschalurteil
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zeigt sich dagegen nüchtern. Die Möglichkeit, kriminelle Einzelpersonen in ihr Herkunftsland zurückzuschicken, sei letztlich im Schweizer Gesetz verankert. Sie mahnt jedoch: «Es muss jeder Einzelfall vorsichtig geprüft werden.» Es dürfe niemand in ein Land zurückgeschafft werden, wenn ihm dort Folter, Verfolgung oder gar der Tod drohe. Und anders als Pascal Schmid sieht die Flüchtlingshilfe in Afghanistan seit 2021 eine sich fortlaufend verschlechternde Situation.
Zudem würde es sich bei den Straftätern um eine kleine Minderheit handeln. «Die meisten Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz verhalten sich korrekt und friedlich», teilt die Flüchtlingshilfe mit. «Es ist wichtig, nicht aufgrund einzelner Vorfälle – so tragisch diese auch sind – eine Flüchtlingsgruppe pauschal zu kriminalisieren.»
Kommt es zu Verschärfungen bei den Rückführungen?
Deutlicher wird die Menschenrechtsorganisation Amnesty International: Sie lehnt jegliche Rückführungen in den Taliban-Staat ab. «Es ist erschreckend, dass die Schweizer Behörden trotz der gravierenden Menschenrechtslage Menschen nach Afghanistan ausschaffen», sagt Kishor Paul, Fachexperte Asyl und Migration. Die Schweiz untergrabe damit geltendes Völkerrecht.
Amnesty International befürchtet, dass die Rückführung der afghanischen Straftäter erst den Anfang einer neuen, verschärften Rückführungspraxis der Schweizer Asylbehörden darstellt. Was für die Flüchtlingshilfswerke schockierend ist, käme der SVP gelegen: Die Partei moniert schon länger, dass die Schweiz bei ausländischen Straftätern zu wenig konsequent Landesverweise ausspreche.