Schulleiter Jörg Berger
«Der schönste Job der Welt, aber zum Verzweifeln»

Fachmann Jörg Berger sagt, was die Arbeit von Schulleitungen so anspruchsvoll macht – und warum Eltern ihre Kinder nicht überbehüten sollten.
Publiziert: 15.02.2025 um 18:21 Uhr
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«Wir sind den Kindern verpflichtet»: Jörg Berger
Foto: Linda Käsbohrer

Auf einen Blick

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Birthe Homann
Beobachter

Beobachter: Jörg Berger, ist der Schulleitungsjob der «härteste Job der Schweiz»? Das fragte die NZZ kürzlich, nachdem einem Schulleiter in Schlieren bei Zürich der Kragen geplatzt war und er einem Lehrer vor versammelten Eltern ein «Heb de Latz!» an den Kopf geworfen hatte.
Nein, es ist sicherlich nicht der härteste Job. Aber der Beruf erfordert eine immense Vielfalt an persönlichen Fähigkeiten. Man steht oft im Spannungsfeld, manchmal gar zwischen den Fronten. Man braucht Mut, aber auch Demut und Empathie.

Jörg Berger

Jörg Berger, 43, ist Mitglied der Geschäftsleitung des Verbands Schulleiter und Schulleiterinnen Schweiz (VSLCH) sowie Co-Projektleiter des Schulleitungsmonitors.

Jörg Berger, 43, ist Mitglied der Geschäftsleitung des Verbands Schulleiter und Schulleiterinnen Schweiz (VSLCH) sowie Co-Projektleiter des Schulleitungsmonitors.

Meinen Sie mit Spannungsfeld, dass Schulleitende oft zwischen Lehrpersonen, Eltern, Kindern, Behörden und der Politik stehen?
Ja. Bildung hat einen hohen Stellenwert, die Lebenszufriedenheit kann mit Schulerfolg zusammenhängen. Entsprechend gross ist die Erwartungshaltung der Eltern. Nur sind die Werte, auf die wir uns einigen müssen, nicht immer für alle dieselben. Deshalb kann es schwierig werden. Bildungspolitik ist leider oft ein Ränkespiel, ich wünschte mir mehr Dossierwissen und Vertrauen in die Verantwortlichen.

Artikel aus dem «Beobachter»

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Die Erwartungshaltung der Eltern führt also zu Konflikten. So einfach?
Nicht die Erwartungshaltung ist problematisch, sondern fehlendes Vertrauen. Auch den Eltern muss es gelingen, einen Schritt zurück zu machen und die Perspektive der anderen Involvierten – Lehrpersonen, anderer Kinder und deren Eltern – einzunehmen. Manchmal ist es einfach falsch, immer die schützende Hand über sein Kind zu halten. Selbst ein Time-out für eine Schülerin kann eine passende Lösung sein, auch wenn das die Eltern zunächst nicht so sehen.

Für unsere Protagonistin, die ein Tagebuch über ihren Schulleitungsalltag verfasst hat, ist der Spruch «Du musst lernen, im Regen zu tanzen» eine Art Leitfaden. Damit meint sie, dass es inmitten von Schwierigkeiten immer auch Freude gibt oder dass man lernen muss, Probleme anzunehmen.
Ein super Leitspruch. Eine gewisse Wertschätzung sich selbst gegenüber braucht es unbedingt, um die Dichte der Aufgaben und den Stress aushalten zu können. Wenn man sieht, dass man etwas bewirken und bewegen kann. An meiner Schule haben wir deshalb das Organigramm auf den Kopf gestellt: die Behörde zuunterst, dann die Schulleitung, Lehrpersonen und zuoberst die Schülerinnen und Schüler mit den Eltern. Das steht bei uns in der Gemeindeordnung und hilft, die Prioritäten zu setzen. Wir sind den Kindern verpflichtet.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für Schulleiterinnen und Schulleiter? Der Cocktail aus Freude am Beruf und hoher Arbeitsbelastung ist problematisch. Es ist der schönste Job der Welt, gleichzeitig ist es zum Verzweifeln, weil man mit der Arbeit nicht nachkommt. Wochen mit mehr als 50 Stunden sind normal. Es braucht viel Resilienz und ein gutes Umfeld im Lehrerzimmer oder bei der Schulbehörde. Im Schnitt führt eine Schulleitung 60 bis 70 Mitarbeitende, das ist schon recht viel.

Trotzdem sprechen Sie vom besten Job der Welt? Trotz Alltag zwischen Stellvertretungen organisieren, schwierigen Elterngesprächen, psychisch kranken Kindern und Läuseplagen?
Die Dimensionen zwischen hochkomplexen Situationen wie Schulabsentismus oder psychischem Leiden und Handfestem wie Läusen sind anspruchsvoll. An der Herausforderung wächst man aber. Es ist auch nur eine Handvoll Eltern, bei denen es nicht flutscht. Mit dem Grossteil läuft es problemlos.

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