Rückenschuss für Amherd
Gefährdet Kritik von Ex-Armeechef Blattmann den Kampfjet-Kauf?

Kurz vor dem Bundesrats-Entscheid mischt sich Ex-Armeechef André Blattmann in die Kampfjet-Beschaffung ein. Er stellt infrage, ob die Schweiz überhaupt neue Flieger braucht. Die Jet-Gegner jubilieren, die Befürworter befürchten schon das Schlimmste.
Publiziert: 22.06.2021 um 00:43 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2021 um 12:08 Uhr
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Die Schweiz will neue Kampfjets beschaffen – als Ersatz für die in die Jahre gekommenen F/A-18 der Schweizer Luftwaffe.
Foto: Keystone

SVP-Nationalrat Thomas Hurter (57) macht kein Geheimnis aus seinem Frust. «Es stört mich, wenn sich ehemalige Armeechefs, die ihr Leben lang vom Militär ihren Lohn bezogen haben und zu Loyalität verpflichtet wären, in den Kampfjet-Entscheid einmischen und ihn destabilisieren», sagt er. Auch andere bürgerliche Sicherheitspolitiker sprechen von einem «gezielten Störmanöver».

Grund für den Ärger ist ein am Montag bekannt gewordenes Papier von Ex-Armeechef André Blattmann (65). Der ehemalige Korpskommandant übt darin grundsätzliche Kritik an der Kampfjet-Beschaffung, wie die «NZZ» berichtet. Und das ausgerechnet wenige Tage bevor der Bundesrat um Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) entscheidet, welchen der vier zur Auswahl stehenden Kampfjet-Typen die Schweiz kauft.

«Das kann im Bundesrat zumindest für Verzögerungen sorgen»

Das Papier sei ein Diskussionsbeitrag, komme aber eigentlich zu spät, da die Bevölkerung dem Grundsatz zugestimmt habe. «So gibt es nur unnötig Unruhe», befürchtet FDP-Ständerat Thierry Burkart (45), der bei der Kampfjet-Abstimmung im vergangenen Herbst die Ja-Kampagne geleitet hatte. «Das kann im Bundesrat zumindest für Verzögerungen sorgen», wird SVP-Nationalrat Hurter noch deutlicher. «Einzelne Mitglieder wollen gar keine neuen Jets, andere werden nun allenfalls verunsichert. Der Entscheidungsprozess kann noch mal holprig werden.»

Das Papier hat es tatsächlich in sich: Blattmann kommt zum Schluss, dass die Schweiz eigentlich gar keine neuen Jets braucht. Diese seien auf einen Gegner ausgerichtet, «den es auch in der Krise und im Konflikt in unserem Umfeld kaum mehr gibt». Der Ex-Armeechef findet, dass ein breites Spektrum an bodengestützter Luftverteidigung (Bodluv), also an Boden-Luft-Raketen, zur Verteidigung reichen würde. Sie seien im Unterhalt auch viel günstiger als Kampfjets.

Blattmann warnt vor Investitions-Blockade

Statt der geplanten 30 bis 40 Jets würden auch 20 reichen, so Blattmann. Das aktuelle Sechs-Milliarden-Projekt könne wegen der Betriebskosten andere Armee-Investitionen für Jahre blockieren, warnt er. Damit wolle er nicht die Fundamentalopposition gegen die Jet-Beschaffung stärken. Der Bundesrat müsse den Kauf aber besser begründen, heisst es im Papier: «Wenn wir dem Normalbürger nicht erklären können, wofür wir die Flugzeuge brauchen, werden wir in der nächsten Abstimmung eine verheerende Niederlage einfahren.»

Die Kritik ist Wasser auf die Mühlen der Kampfjet-Gegner, die denn auch jubeln: «Ein besseres Argument als einen ehemaligen Chef der Armee, der findet, dass die Schweiz gerade Steuergelder verschwendet, gibt es tatsächlich nicht», schreibt etwa der ehemalige Sekretär der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), Lewin Lempert, auf Twitter.

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Auch die SP frohlockt. «Für einmal kann ich die Argumentation des ehemaligen Chefs der Armee voll und ganz nachvollziehen: 20 Kampfjets müssen genügen!», findet Nationalrätin Priska Seiler Graf (52). Die SP habe immer darauf hingewiesen, dass künftig eine der grössten Bedrohungen von Drohnen ausgehe. Gegen solche seien Kampfjets machtlos. Sie hoffe daher sehr, dass das Papier nicht zu spät kommt «und auf die Bundesratsentscheidung noch Einfluss nehmen kann».

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Ex-Armeechef bedauert den verursachten Wirbel

Blattmann selbst ist der ganze Wirbel höchst unangenehm. «Es war nicht vorgesehen, dass das Papier öffentlich wird», versichert der Ex-Armeechef gegenüber Blick. Es sei immer nur für Personen «im bürgerlichen Lager» gedacht gewesen, die allenfalls keinen Zugang zu umfassenden Informationen hätten. «Ich bin nämlich auch der Meinung, dass Ehemalige nicht mehr dreinreden sollten, und halte mich daran.»

Dass sein Papier nun gegen den Kampfjet-Kauf ausgelegt wird, bedauere er sehr. «Ich war immer komplett der Schweiz und ihrer Armee verpflichtet», betont er. An seinen Vorbehalten aber hält er fest: «Ich befürchte, dass andere Investitionen aufgrund der hohen Flugzeugkosten nicht so getätigt werden können, wie es nötig wäre.» Damit spreche er sich aber nicht grundsätzlich gegen neue Flieger aus.

Bürgerliche Sicherheitspolitiker sind sauer

Dennoch: Bei bürgerlichen Sicherheitspolitikern gerät das Papier in den falschen Hals. «Für mich ist das Papier zu wenig fundiert», findet etwa FDP-Ständerat Burkart. «Es verkennt, dass bodengestützte Luftverteidigung keine Alternative und nur ein letztes Mittel ist. Man kann nur schiessen oder nicht schiessen.» Kampfflugzeuge aber hätten noch ganz andere Möglichkeiten.

Auch die Finanzierungsprobleme werden angezweifelt. «Ich habe nach wie vor Vertrauen in das Verteidigungsdepartement und teile die Befürchtung nicht, dass die Armeefinanzen für anderes nicht mehr reichen könnten», stellt FDP-Ständerat Josef Dittli (64) klar.

Härter urteilt SVP-Nationalrat Hurter. «Für mich wirkt das wie eine Abrechnung mit dem VBS, weil unter Bundesrat Guy Parmelin Blattmanns eigenes Bodluv-Projekt sistiert worden ist», sagt er. Gleichzeitig enthielten sämtliche Aussagen in dem Papier keine Quellenangaben und seien wohl vor allem Blattmanns eigene Beurteilungen.

Zudem: Blattmann war auch Armeechef, als das Volk den Kampfjet Gripen an der Urne abgelehnt hatte. Damals verteidigte er die Beschaffung noch heftig – mit den gleichen Argumenten wie nun seine Nachfolger im Verteidigungsdepartement.

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