Ringen um Fördergelder
Sportvereine werden zur Staatsaffäre

Jahrelang kassierten Büsingen (D) und Campione (I) Sport-Fördergelder, obwohl sie keine Schweizer Gemeinden sind. Um die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht im Regen stehenzulassen, suchen die Beamten nach einer neuen Lösung. Das aber dürfte noch Jahre dauern.
Publiziert: 07.09.2023 um 13:19 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2023 um 15:14 Uhr
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Geografie: mangelhaft. Dem Bundesamt für Sport war lange unklar, dass die Gemeinde Campione zu Italien gehört. Darum hat der dortige Sportverein während Jahren fälschlicherweise J+S-Fördergelder einkassiert.
Foto: AFP

Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann (67) kann nur noch den Kopf schütteln. Unter dem Strich geht es um ein paar Tausend Franken im Jahr für drei Sportvereine. «Alle Beteiligten hatten auf eine pragmatische Lösung gehofft. Aber sobald sich Juristen einschalten, wird es kompliziert», ärgert er sich. «Unglaublich, dass sich so etwas zur Staatsaffäre entwickelt.»

Angefangen hat die Geschichte schon letztes Jahr. Das Bundesamt für Sport (Baspo) hatte sich zu Lachnummer gemacht. Dass Beamte jahrelang fälschlicherweise Fördergelder von Jugend+Sport an Vereine in Büsingen und Campione ausbezahlt haben, hatte für Spott und Hohn im Land gesorgt.

So liegt Büsingen zwar im Kanton Schaffhausen, gehört aber zu Deutschland. Und Campione d'Italia ist komplett vom Kanton Tessin umgeben, aber italienisches Staatsgebiet. Die Vereine hatten daher gar nie Anrecht auf die Gelder – insgesamt etwa 75'000 Franken. Sobald der Bund seinen Fehler erkannt hatte, drehte er den Geldhahn zu.

Bis zu einer Lösung dürften Jahre vergehen

Für den Kanton Schaffhausen war der Entscheid nur bedingt nachvollziehbar. Immerhin seien beim FC Büsingen, dem Tennisclub und dem Turnverein vor allem Schweizer Mitglied. Auch seien sie in Schweizer Ligen aktiv.

Mit Ständerat Germann hat der FC Büsingen sogar einen Vertreter in Bundesbern. Dort wandte sich die Kommission für Wirtschaft, Bildung und Kultur an Sportministerin Viola Amherd (61), sie möge rasch eine pragmatische Lösung finden. Die Kinder und Jugendlichen sollten nicht unter dem Fehler der Beamten leiden.

Bei den Covid-Hilfen will die Behörde Geld zurück

Doch: Wie das sprichwörtlich gebrannte Kind wollen es die Beamten nun korrekt machen. Ganz korrekt. Während weitere Unterstützung für Campione kein Thema ist, können Büsinger Sportleiter nach Gesprächen auf verschiedenen Ebenen zwar weiterhin an J+S-Kursen teilnehmen, sofern sie über das Schaffhauser Sportamt angemeldet werden.

Kompliziert aber wird es bei den bisherigen Fördergeldern für Lager, Trainings oder Wettkämpfe. Denn dabei könnte Schweizer Steuergeld ins Ausland fliessen. «Die Frage, ob und wie die Subventionierung von J+S-Angeboten in Büsingen möglich sein könnte, ist Gegenstand aufwendiger laufender Abklärungen», heisst es beim Baspo. Und das kann mehrere Jahre dauern.

Ist sogar der Staatsvertrag mit Berlin anzupassen?

Nicht nur sei das Sportförderprogramm J+S komplex ausgestaltet. Auch gehe es hier um internationale Vereinbarungen. «Damit Schweizer Rechtsvorschriften in der Enklave angewendet werden können, bedarf es einer formellen Abmachung mit den deutschen Behörden», erklärt das Bundesamt. Noch ist unklar, wie das funktionieren soll. Derzeit wird sogar abgeklärt, ob extra der Staatsvertrag mit Deutschland angepasst werden muss – was Kosten auslösen könnte, die die bisherigen Fördergelder sogar noch deutlich übersteigen.

Bis eine endgültige Lösung vorliegt, dürfte also noch viel Wasser den Rhein runter fliessen. Deshalb sind die Gemeinde Büsingen und der Kanton Schaffhausen eingesprungen. Als Übergangslösung sind sie bereit, die ausfallenden J+S-Beiträge zu übernehmen – während drei Jahren, in denen der Bund Abklärungen treffen will.

«Das ist eine Posse»

«Von Bundesrätin Amherd haben wir uns im Parlament eine pragmatische Lösung erhofft», kommentiert Ständerat Germann. «Aber was hier passiert, ist eine Posse.» Offensichtlich wolle die Bundesverwaltung unbedingt nochmals einen weiteren Fehler vermeiden. «Das wirkt alles sehr ängstlich.»

So hätte sich Germann gewünscht, wenn sich der Bund fürs Erste «pragmatisch auf Gewohnheitsrecht berufen» und auf Verordnungsstufe Ausnahmen ermöglicht hätte. «Die Deutschen hätten sicher kein Problem damit, wenn wir Kosten übernehmen. Bisher ging es ja auch», so Germann. Er hoffe jedenfalls, dass er im Parlament nicht tatsächlich noch eine Anpassung des Staatsvertrags fordern müsse. «Sobald etwas über Berlin läuft, wirds kompliziert, teuer und dauert ewig.» (dba)

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