Henrique Schneider (45) gibt nicht auf. Er war schon zum neuen Direktor des Gewerbeverbands gewählt worden, als die «NZZ am Sonntag» im Frühling einen aufsehenerregenden Artikel publizierte: Schneider soll sich mit falschen Titeln geschmückt und wiederholt plagiiert haben.
Der aufgeschreckte Gewerbeverband liess die Vorwürfe von externer Stelle untersuchen. Die beauftragte Anwaltskanzlei kam zum Schluss, dass Schneider «serienmässig plagiiert» hatte. Vor zwei Wochen widerrief der Vorstand um Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (61) deshalb die Wahl Schneiders zum Direktor.
«Konzertierte Kampagne, um SGV zu schwächen»
Doch das Ringen um den einflussreichen Gewerbe-Posten geht weiter. Schneider hat nicht im Sinn, kampflos aufzugeben – und er ist nicht allein. Es hat sich eine regelrechte Gegenbewegung gebildet, bestehend vorab aus SVP- und FDP-Politikern. Sie verlangen für nächsten Mittwoch eine ausserordentliche Sitzung der Gewerbekammer, des Parlaments des Gewerbeverbandes, wie der SonntagsBlick berichtete. Kurz: Sie wollen an Schneider festhalten.
Auch Schneider will das Amt antreten, immerhin sei er ordentlich gewählt worden. In einem Schreiben an die Mitglieder der Gewerbekammer, das Blick vorliegt, schiesst er aus allen Rohren gegen seine Kritiker. Ins Visier geraten nicht nur die Medien, auch der Vorstand des Gewerbeverbands kommt nicht ungeschoren davon.
«Meines Erachtens haben wir es mit einer konzentrierten Kampagne zu tun, die von aussen orchestriert wird und die das Ziel hat, den Schweizerischen Gewerbeverband zu schwächen», poltert Schneider. «Dass die Presse sich ermächtigt fühlt, den SGV unter Druck zu setzen und ihm vorzuschreiben, wen er anzustellen hat und wer in die Kommissionen des Bundes delegiert werden muss, ist inakzeptabel und schwächt die politische Stärke des SGV.» Ergo: Alle anderen sind schuld.
Breitseite auch gegen eigenen Vorstand
Schneider räumt ein, dass er in seiner Freizeit viele Texte schreibe. Dass er dabei plagiiert habe, streitet er nicht explizit ab. Dennoch will er von den Vorwürfen nichts wissen, weil sie mit seiner Tätigkeit beim Gewerbeverband nichts zu tun hätten. «Sie treffen nicht zu, weil ich kein Wissenschaftler bin.»
Tatsächlich kam auch die externe Kanzlei zum Schluss, dass Schneider zwar ein «klares Fehlverhalten» gezeigt habe. Dieses sei aber «nicht gravierend», da es sich beim Gewerbeverband nicht um einen «wissenschaftlichen Tendenzbetrieb» handle. Doch sogar dieses Gutachten wird von Henrique Schneider kritisiert. «Es kann vorliegendenfalls dahingestellt bleiben, ob der Vorstand die Kompetenz dazu überhaupt hatte.» Auch sei er dort nicht angehört worden, wirft Schneider dem SGV-Vorstand vor.
Wie Schneider künftig mit dem SGV-Vorstand zusammenarbeiten will, ist fraglich. Denn in seinem Schreiben lässt er an diesem kein gutes Haar: «Die nach dem Vorstandsentscheid darauf folgende Kommunikation des Vorstandes mit internen und externen Stellen war rufschädigend.» Er habe dem Vorstand schon vor mehreren Wochen mitgeteilt, «dass ich diese Kommunikation nicht akzeptiere». Bisher aber habe der Vorstand seine Kommunikation nicht widerrufen.
Machtkampf weitet sich aus
Und nochmals betont Schneider, dass er in einem ordentlichen, statutenkonformen Prozess ohne Gegenstimme gewählt worden sei. Und: Er gehe davon aus, dass er seine Stelle am 1. Juli «ungestört von fremdgesteuerten Manövern antreten» werde.
Wie die Abstimmung am Mittwoch ausfällt, ist offen. Klar ist: Es geht auch um die Zukunft von SGV-Präsident Regazzi. Der Tessiner Mitte-Politiker hat im vermehrt rechtsbürgerlich dominierten Verband einen schweren Stand. Der Machtkampf weitet sich noch viel mehr aus.