Externes Gutachten in Auftrag gegeben
Gewerbeverband geht Plagiatsvorwürfen gegen Schneider nach

Der designierte Gewerbeverband-Direktor Henrique Schneider ist mit schweren Plagiatsvorwürfen konfrontiert. In einer Krisensitzung kam der Vorstand des Verbands zum Schluss, selbst eine Untersuchung anzustossen.
Publiziert: 21.03.2023 um 15:28 Uhr
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Henrique Schneider (Mitte) muss sich Vorwürfe um mögliche Plagiatsarbeiten gefallen lassen.
Foto: Keystone

Henrique Schneider (45) soll am 1. Juli die Nachfolge von Hans-Ulrich Bigler (64) an der Spitze des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) antreten. Im Februar war er ohne Gegenstimme in diese Funktion gewählt worden.

Doch in den letzten Tagen wurde Schneider mit schweren Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Ist er nach diesen Anschuldigungen noch tragbar? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Vorstand des SGV am Dienstagvormittag an einer ausserordentlich einberufenen Krisensitzung. Der SGV will in der Sache jetzt Klarheit schaffen und kündigt selbst eine Untersuchung an, das teilt der Verband am Dienstag in einer Medienmitteilung mit.

Die Untersuchung soll vor Amtsantritt von Schneider abgeschlossen werden. «Mit einem unabhängigen, externen Gutachten wollen wir die Angelegenheit umfassend und abschliessend prüfen lassen», wird Mitte-Nationalrat und Präsident des SGV, Fabio Regazzi (60), in der Mitteilung weiter zitiert. Weitere Fragen will der Verband erst beantworten, wenn die neue Untersuchung abgeschlossen ist.

65 Textplagiate vorgefunden

Der österreichische Plagiatsforscher Stefan Weber schreibt auf seiner Website, Schneider stehe im Verdacht, in seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen seit mindestens zehn Jahren systematisch plagiiert zu haben und zwei Professuren vorgetäuscht zu haben. So sei Schneider entgegen seiner Angaben aus den Jahren 2011 und 2015 nie Professor an der Universität Wien und nie Professor an der Universität Graz gewesen.

Die «NZZ am Sonntag» berichtete als Erste über irreführenden Angaben in Schneiders Lebenslauf. Der Plagiatsforscher will insgesamt 65 Textplagiate in zehn wissenschaftlichen und journalistischen Veröffentlichungen von Schneider gefunden haben. Abgeschrieben haben soll er unter anderem bei Wikipedia, der Stanford Encyclopedia of Philosophy oder einer in Luzern eingereichten Diplomarbeit.

Schneider dementierte Vorwürfe

Schneider wies am Wochenende alle Vorwürfe zurück. Der «NZZ am Sonntag» teilte er mit, dass er ausschliessen möchte, dass es in seinen Publikationen zu Plagiaten kommt oder gekommen sei. Die Texte hätten Peer-Reviews überstanden und einen Redaktionsprozess, der die Originalität des Textes überprüfe.

Bezüglich der Plagiatsvorwürfe sagte er, dass er seine Texte «nach bestem Sorgfaltsmass und unter Angaben der verwendeten Literatur und Zitierstellen» verfasse. Die Vorwürfe der Presse halte er für diffus. Insbesondere werde nicht unterschieden zwischen dem, was er über sich sage, und dem, was andere über ihn sagten.

Gutachter bei AfD

So betont Schneider weiter, er führe keine akademischen Titel und interveniere, wenn immer er merke, dass solche Titel und Funktionsbeschreibungen mit ihm in Verbindung gebracht würden.

Doch letztere Aussage wird bestritten. So trat 2021 Schneider etwa an einer online gestreamten Veranstaltung der AfD in Berlin auf. Er hatte für die Partei ein Gutachten erstellt – zu einem Bericht der deutschen Regierung, der sich mit der demokratischen Bildung der Jugend befasste. Wie das noch immer aufrufbare Video auf Youtube zeigt, wurde Schneider dort als «unser Ehrengast, Professor Schneider» vorgestellt. Anschliessend sass er vor einem Namensschild mit der Aufschrift «Prof. Dr. Schneider». Dieselben Titel trägt er auch in einem von ihm verfassten Artikel in der «Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift» aus dem Jahr 2009.

Vernetzt mit der FDP

Gute Beziehungen pflegt Henrique Schneider auch zur Spitze zur FDP. So erhält er dank des FDP-Parteipräsidenten Thierry Burkart (47) ständigen Zugang zum Bundeshaus. Dieser hat ihm einer seiner beiden Zugangsbadges gegeben. Jeder Nationalrat und jede Ständerätin hat zwei solcher Badges zu vergeben. Damit können sich Gäste im Bundeshaus und auch in der Wandelhalle frei bewegen.

Schneider wollte gegenüber «Blick» am Dienstagvormittag kein Statement abgeben. (sie)

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